Gemeinsam statt einsam

Lesedauer: 7 Minuten

Europa Ende 2020: Corona feiert sein düsteres Comeback. Mit knapp 30.000 Neuinfektionen pro Tag erlebt Deutschland eine besonders heftige zweite Welle. Auch andere europäische Länder versuchen, der Lage Herr zu werden und verhängen Ausgangssperren und Maskenpflicht. Währenddessen scheint China, das Ursprungsland des Virus, seit Monaten virusfrei zu sein. Konsequente Maßnahmen haben zu einer raschen Beruhigung der Lage geführt. Es ist vor allem das europäische Geeiere, das die Bekämpfung des Virus unnötig erschwert.

Von der Epidemie zur Pandemie

Wir alle erinnern uns: Vor einem Jahr war das Coronavirus noch weit, weit weg. Die ersten Infektionen mit dem neuen Erreger wurden bereits Ende letzten Jahres in China festgestellt. Seitdem breitete sich das Virus ungehemmt in China aus. Ganze Gemeinden wurden abgeriegelt, weil die Infektionszahlen in die Höhe schnellten. Es gab strenge Ausgangssperren; das Virus war einfach nicht unter Kontrolle zu bringen.

Währenddessen in Deutschland: Besorgt beobachtete man den Fernen Osten dabei, wie er versuchte, mit dem Sars-ähnlichen Virus fertigzuwerden. Man rümpfte leichtsinnig die Nase darüber, dass da drüben zwischenzeitlich alle mit Maske herumliefen. Andererseits war man den Anblick von asiatischen Mitmenschen mit Maske im Gesicht bereits gewöhnt. Gefährlicher als Smog konnte das neue Virus also gar nicht sein. Was sollen denn die Europäer sagen, die regelmäßig von Grippewellen heimgesucht werden?

Dann kamen die ersten Fälle nach Europa. Hilflos mussten auch die Deutschen zusehen, wie das Virus einen Bereich nach dem anderen lahmlegte. Das chinesische Problem war zu einem europäischen geworden. Es dauerte nicht lange, da wütete das Coronavirus auf der ganzen Welt. Die Epidemie von 2019 war zu einer Pandemie des Jahres 2020 geworden.

Die Jet-Set – Pandemie

Immer wieder hört man Vergleiche zwischen der Pest und dem Coronavirus. Ich halte das nur teilweise für berechtigt. Die Pest mag zwar auch über weite Teile der Erde gezogen sein – die Ausbreitung des Coronavirus ist in unserer schnelllebigen und eng vernetzten Welt aber um ein vielfaches schneller. Es dauerte einige Wochen bis das Virus aus dem fernen China in Bayern angekommen war. Bei der Pest dauerte ein vergleichbarer Weg mehrere Jahre.

Mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Krankheit ist die Lage in Europa weiter zugespitzt. Krankenhäuser laufen voll, Betten werden knapp, das Personal ist noch mehr am Limit als schon ohne die Pandemie. Haben wir vor zwölf Monaten noch die Chinesen für ihre Probleme mit dem Erreger belächelt, da haben die Chinesen heute eher Grund über uns zu lachen. Denn: Seit dem Abflauen der ersten Welle im Frühsommer, war China wie weggefegt aus der öffentlichen Wahrnehmung. Das Virus schien vollständig aus China vertrieben zu sein.

Das verwundert kaum: Innerhalb weniger Wochen haben die Chinesen eine Vielzahl an provisorischen Krankenhäusern und Corona-Aufnahmestationen errichtet. Die Bagger standen keine Minute still, die Arbeiterinnen und Arbeiter waren rund um die Uhr im Einsatz. Mit voller Kraft steuerten die Chinesen gegen das Virus. In besonders betroffenen Gebieten war das öffentliche Leben eine Zeit lang nicht mehr existent. Auch über diesen Lockdown, im Frühjahr manchmal noch Shutdown bezeichnet, glucksten die Europäer zunächst. Es ist ihnen im Halse steckengeblieben.

Unkoordiniert statt diszipliniert

Nach den wenig rühmlichen Bildern von vor einem Jahr war China plötzlich zum Musterschüler in der Pandemiebekämpfung aufgestiegen. Nach einem harten und konsequent durchgeführten Lockdown ist China zwar weiterhin nicht Corona-frei, doch mit der Disziplin der Chinesinnen und Chinesen bei der Virusbekämpfung können die Europäerinnen und Europäer nicht mithalten. In Deutschland marschierten die treuen Kundinnen und Kunden weiter in die Geschäfte – natürlich immer mit Maske. Kaum raus aus dem Laden, da wurde der Stofffetzen luftringend vom Gesicht gerissen – inmitten einer Meute von hunderten Menschen in der Einkaufsstraße.

Wenig verwunderlich ist es da, dass die Zahlen in Deutschland und Europa weiter steigen, statt abzuflachen. Besonders blamabel ist es aber, dass gerade die Länder, die sich stets dafür rühmen, demokratisch verfasst zu sein und die Menschenrechte bei jeder Gelegenheit hochhalten, gegen ein Land abstinken, das ebendiese Rechte regelmäßig mit Füßen tritt. Die strengen Anti-Corona – Regeln in China dürften kaum demokratisch legitimiert sein. Trotzdem führte der rigide Kurs rasch zu einer Trendwende. Währenddessen stolpert Deutschland von einer Verschärfung der Maßnahmen in die nächste Lockerung. Anstatt dem Virus mutig und ambitioniert die Stirn zu bieten, macht die Bundesregierung eher gute Miene zum bösen Spiel.

16 Wege mit Corona fertigzuwerden

Der Föderalismus ist eine wunderbare Errungenschaft in der demokratischen Geschichte unseres Landes. Er verhindert, dass das Land zentralistisch regiert wird, wie es in einer Diktatur der Fall wäre. Gerade in den letzten Monaten hatten die Bürgerinnen und Bürger aber häufig das Gefühl, dass die föderale Ordnung unseres Landes der Pandemiebekämpfung eher im Weg stand. Ein einheitlicher Kurs scheiterte oft an einzelnen Landesregierungen, die den eingeschlagenen Weg nicht mitgehen wollten. Immer wieder waren es Eitelkeiten und individuelle Befindlichkeiten, die den Kampf gehen das Virus lähmten. In China war es stets nur eine Person, auf deren Eitelkeiten man Rücksicht nehmen musste. Dadurch, dass hier ein einziger Autokrat das Sagen hat, fielen langwierige Abstimmungsprozesse weg.

Die Mühlen der Demokratie malen oft langsam. Am Ende stehen aber oftmals gute Entscheidungen, bei der eine Breite der Gesellschaft ein Mitspracherecht hatte. Besonders im Kampf gegen Corona waren die Damen und Herren der Bundes- und Landesregierungen aber viel zu oft mit sich selbst beschäftigt, anstatt den Souverän in diesem Land anzuhören. Mit deutlich mehr Bürgerbeteiligung könnte man dem chronischen Überbietungswettbewerb, wessen Weg der richtigste ist, leicht Einhalt gebieten. Bürgerräte hätten außerdem den Vorteil, dass die Menschen viel eher hinter den getroffenen Verfügungen stehen würden, weil sie selbst daran mitgewirkt hätten. So würde auch die Disziplin im Kampf gegen Covid-19 steigen.

Keine Zeit für Einzelkämpfer

Leider ist besonders Deutschland in der Frage der Virusbekämpfung weiter tief gespalten. Das liegt vor allem an den teilweise schlecht kommunizierten Maßnahmen, welche die Menschen eher irritieren, statt sie zu motivieren. Wenn in jedem Landkreis unterschiedliche Regelungen gelten, resignieren viele und machen, was sie wollen. Diese Einzelkämpfer kommen aber nicht gegen das Virus an. Es ist nur gemeinsam in den Griff zu bekommen. Hinzu kamen viel zu frühe Lockerungen, die Neiddebatten erzeugten. Diese wurden durch spätere Teil-Lockdowns sogar noch befeuert, weil viele Geschäftsschließungen willkürlich und unüberlegt anmuteten. Letztendlich zweifeln immer mehr Menschen die Zielgenauigkeit vieler Maßnahmen an, weil sie unklar definiert sind und die Grenzziehungen eher verschwimmen.

Sehr viel nötiger wäre eine einheitliche Strategie, die von allen Ländern getragen wird. Das Virus hat es innerhalb einiger Wochen vom fernen China nach Deutschland geschafft. Wie kurz braucht es dann erst, um von Bayern nach Berlin zu kommen? Bevor die ersten Fälle in der Bundeshauptstadt registriert werden, hat der Erreger den Freistaat längst hinter sich gelassen. Gerade weil das Virus in anderen Dimensionen als in Landkreisen und Regionen wütet, ist eine ständige und einheitliche Abstimmung unerlässlich. Nur wenn wir dem Virus geschlossen entgegentreten, können wir es noch besser machen als China.


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Schöne Aussichten

Titelbild: Keith Gonzalez, pixabay, bearbeitet von Sven Rottner.

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Die goldenen 20er, wie sie noch vor knapp einem Jahr beschworen wurden, hätten mieser nicht beginnen können. Eine Pandemie stellt viele Länder seit Monaten vor gewaltige Probleme. Die Menschen werden krank, Geschäfte müssen schließen, Existenzen gehen kaputt. Das nächste Jahr kann nur besser werden.

Jahresrückblick besonderer Art

2020 neigt sich dem Ende. “Endlich!“ werden da einige erleichtert rufen. Sie haben allen Grund dazu: Ein Virus, vor dem wir vor zwölf Monaten noch absolut sicher schienen, hält die ganze Welt weiter in Atem. Nachdem sich Corona im Frühjahr auch hierzulande breitgemacht hatte, folgte der erste Lockdown. Geschäfte mussten schließen, Klopapier war knapp, die Menschen hatten Angst. Währenddessen übertraf sich die Zahl der Neuinfektionen und der Todesfälle von Tag zu Tag. Länder wie Italien und Spanien, aber auch die USA waren mit dieser Entwicklung heillos überfordert.

Es folgte eine kurze Zeit der Entspannung. Im Sommer gingen die Fallzahlen spürbar nach unten. Ein Sonnenanbeter ist das Virus nicht. Die Menschen schöpften wieder Hoffnung. Vielleicht gehörten Abstand und Maske bald der Vergangenheit an? Doch es kam anders: Der Herbst war mehr als ernüchternd. Die zweite Welle der Pandemie war heftiger als die erste. Wieder schlossen Geschäfte, Hotels und Kultureinrichtungen.

Was kam dann? Unsereins kann diese Frage noch nicht beantworten. Aber es gibt Menschen, die über eine spezielle Gabe verfügen. Viele tun Hellseher als esoterische Spinner oder geldgierige Scharlatane ab. Die Glaubwürdigkeit einer kanadischen Hellseherin wurde aber jüngst durch einen Zwischenfall mitten in Deutschland untermauert. Ihre Vorhersagen deckten sich mit den Aussagen eines jungen Mannes, der behauptete, ein Zeitreisender zu sein.

Überraschende Trendwende?

Seine Herkunft belegte der 26-jährige Osnabrücker mit einigen Ankündigungen, die wenige Tage später genau so in den Nachrichten kamen. Diese Trefferquote hatte nicht einmal die Hellseherin, die sich selbst Madame Futura II. nennt (The One Who Will Have Been). In einigen Punkten waren sich die beiden aber doch einig. So erklärten sie unabhängig voneinander, dass das Virus mit Gongschlag 2021 auf mysteriöse Art und Weise verschwinden würde. Der deutsche Zeitreisende Robert T. (Name von der Redaktion geändert) konnte sogar konkreter werden. Weltweit gäbe es in den ersten Januartagen nur noch wenige Hundert Neuinfektionen pro Tag, bevor sich am 14. Januar der letzte Fall nachweisen lassen würde. T. wusste sogar, dass dieser Tag ein Donnerstag sein würde.

Doch der Besucher aus der Zukunft konnte noch mehr spektakuläres berichten. Noch in der Nacht auf den 1. Januar erlebten tausende Menschen weltweit eine regelrechte Spontanheilung von dem hartnäckigen Virus. Er erzählte von Intensivpatienten, die die Stationen noch vor Morgengrauen verlassen konnten. Besonders für das Klinikpersonal war das eine glückliche Fügung. Erneut würden nämlich wieder zahllose Opfer von Pyrotechnik die Intensivstationen fluten.

Der Zeitreisende zitierte außerdem aus einer Presseerklärung der Kanzlerin vom Januar 2021. In dieser zog sie einerseits die Ladenschließungen zurück und beendete andererseits die Maskenpflicht. Eine Welle der Erleichterung ging in der Folge durch das Land. Die Menschen konnten endlich wieder das tun, worauf sie ein knappes Jahr so eisern verzichtet hatten. Robert T. erzählte von gleich drei Partys, die er an einem Wochenende besuchte. Er berichtete: „Es war eine so große Freude, das erste Mal nach einem Jahr ausgiebig shoppen zu gehen. Die Läden hatten zwar zeitweise bereits 2020 geöffnet, aber wie wir wissen, ging keiner hin.“ Etwas ernster sprach er Umzüge und Demonstrationen an: „Es war für viele natürlich nicht leicht, nach einem Jahr der demokratischen Enthaltsamkeit, laut auf der Straße die Meinung zu sagen. Einige mussten das Demonstrieren erst wieder lernen.“

Der Duft der Geselligkeit

In andere vorpandemische Gepflogenheiten rutschte T. leichter wieder rein. „In Zeiten von Abstand und Maske kam man sich beim Einkaufen regelrecht vereinsamt vor. Als ich das erste Mal wieder den warmen Atem meines Hintermanns im Nacken spürte – was für ein Moment.“ Andere drückten ihre Freude über die zwischenmenschliche Wärme an der Supermarktkasse noch deutlicher aus. T. erzählte von einer Frau, die sich dreimal hintereinander genüsslich in die Arme des Mannes hinter ihr fallen ließ, bevor die eilige Kassiererin ihr Bad in der Menge abrupt beendete.

Ein ganz besonderes Phänomen erläuterte Robert T. mit einem Schmunzeln: „Nach monatelangem Maskentragen wusste ich nicht einmal mehr, ob meine Nase überhaupt noch ihren Dienst tut. Die Zweifel waren schnell ausgeräumt, als ich mich Anfang Januar in eine vollgepackte Bahn zwängte. Der durchgeschwitzte Herr neben mir kam wohl gerade aus dem Fitnessstudio. Ich fand es schade, dass er bereits an der nächsten Station ausstieg.“

Rundum gut versorgt

Robert T. gab an, am 10. November 2021 in seine Kapsel gestiegen zu sein. Die Aussage der kanadischen Madame Futura II. konnte er also leider nicht bestätigen. Sie sah voraus, dass die Weihnachtsmärkte im kommenden Jahr ein voller Erfolg werden würden. In ihrer Ekstase konnte sie den Duft von Glühwein, Rostbratwurst und heißen Maroni förmlich riechen. Vor ihrem inneren Auge sah sie Heerscharen an Menschen, die selig und zufrieden von Stand zu Stand zogen. Alle lachten und jeder genoss das Beisammensein, auf das im Vorjahr verzichtet werden musste.

Madame Futura II. wurde aber noch konkreter. Sie sagte rosige Aussichten für die Wirtschaft auch in Deutschland voraus. Immerhin umtrieb die Wirtschaftslage viele Menschen bereits im Jahr 2020. Die Hellseherin konnte die Menschen aber beruhigen. Das Ende der Pandemie bedeutete auch ein Ende der Kurzarbeit und eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung. Der Zeitreisende Robert T. bestätigte ihre Angaben. Er selbst wäre nie an Corona erkrankt, wusste aber von den katastrophalen Zuständen in den Krankenhäusern aufgrund der steigenden Fallzahlen. „Im Sommer 2021 war ich einige Tage in stationärer Behandlung. Ich fühlte mich rundum gut versorgt. Während ich mit einer Schwester über Urlaubspläne sprach, fand eine andere sogar die Zeit, mir die Füße zu massieren. Von Überlastung keine Spur mehr.“

Auch die Zustände in Fleischereibetrieben entspannten sich spürbar. Weil kein einziger Corona-Fall mehr nachgewiesen werden konnte, kehrten die Arbeiterinnen und Arbeiter namhafter Betriebe wieder in ihre gewohnte Umgebung zurück. T. zitierte einen befreundeten Mitarbeiter von Tönnies: „Ich genieße es, endlich wieder mit meinen Freunden in einem Zimmer zu leben. Die dauerhafte Quarantäne war eine schlimme Erfahrung.“

Schöne Aussichten

Lobend hob T. außerdem die Bundesregierung hervor. Weil diese im Jahr 2020 ausnahmsweise die Schuldenbremse gelockert hatte, konnten nachhaltige wirtschaftliche Schäden größtenteils abgewendet werden. „Weil der Staat in den Jahren zuvor so sparsam war, musste nicht einmal mehr die Mehrwertsteuer erhöht werden. Sie blieb bei maximal 16 Prozent“, berichtet T.. Er kündigte außerdem an, dass fast alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit deutlich höheren Löhnen in den Folgejahren rechnen könnten. Er selbst hätte gerade damit begonnen, ein Haus zu bauen, als er im Garten die Zeitkapsel fand.

Das kanadische Medium hatte außerdem noch einen Tipp für Anleger und Sparer: Das Jahr 2021 würde wohl ein sehr lukratives Jahr werden. Weil Banken und Sparkassen nach Jahren endlich wieder die Sparzinsen anhöben, würden sich private Investitionen besonders lohnen. In diesem Moment leuchtete ihre Kristallkugel hell auf. Sie erklärte das folgendermaßen: „Anscheinend ist die Netzabdeckung im nächsten Jahr so gut, dass selbst ich aus der Vergangenheit etwas davon mit meiner Kugel empfangen habe.“

T.s Aufenthalt in unserer Zeit war allerdings nur von kurzer Dauer. Nach zwei Tagen musste er wieder ins Jahr 2021 zurückkehren. Bevor er ging, hatte er noch eine weitere ermunternde Botschaft: „Das Klimaproblem wird deutlich kleiner. Weil fast ein Jahr lang alle so diszipliniert zu Hause blieben und kein Auto fuhren, sinkt die Verschmutzung der Luft im nächsten Jahr deutlich.“ Mit diesen Aussichten können wir dem kommenden Jahr alle beruhigt entgegensehen. Vielleicht treffen wir ja sogar den zeitreisenden Robert T. – er soll ziemlich charmant sein.

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Vertrauter Feind

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Die neuen Anti-Corona – Maßnahmen treffen Gastronomie und Kultur bis ins Mark. Viele Betriebe stehen endgültig vor dem Ruin, wenn nicht bald gegengelenkt wird. Steif und fest behaupten viele, für die steigenden Fallzahlen nicht verantwortlich zu sein. Die Zahlen steigen trotzdem weiter. Immer offensichtlicher wird: Die Übeltäter sind an anderer Stelle zu suchen. Sie sind praktisch überall und verstehen es meisterlich, sich aus der Schusslinie zu bringen. Den Frust kriegen währenddessen andere ab…

Wer war’s?

Seit Montag gelten bundesweit verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Explosionsartig steigende Infektionszahlen zwingen die Verantwortlichen dazu, erneut solch drastische Maßnahmen zu treffen. Schulen und Kitas sollen so lange wie möglich geöffnet bleiben. Gaststätten, Hotels und fast sämtliche Einrichtungen des Kulturbetriebs müssen ihre Pforten allerdings für die nächsten vier Wochen schließen. Unmut darüber macht sich breit. Die wirtschaftlichen Folgen des ersten Lockdowns sind noch lange nicht überschaubar und erst recht nicht verdaut. Viele befürchten, dass es finanziell nun solchen Betrieben an den Kragen geht, die in der ersten Jahreshälfte relativ glimpflich davongekommen sind.

Das ist berechtigt und nachvollziehbar. Immer wieder zweifeln vor allem betroffene Betriebe an, dass die steigenden Fallzahlen aus ihrem Bereich herrühren. Gastronomen verweisen auf die strikte Maskenpflicht in ihren Häusern. Erst am Platz und zum Einnehmen der Speisen dürfen die Masken abgenommen werden. Ähnlich argumentieren Vertreter aus dem Kulturbereich. Abstandhalten und freie Plätze bei Kinovorstellungen und öffentlichen Darbietungen gehören längst zur Normalität der Branche. Auch der Tourismus versteift sich vehement darauf, dass von Reiserückkehrern kein erhöhtes Infektionsrisiko ausgehe. Nun kann man den Beteuerungen aus den verschiedenen Bereichen unterschiedliches Gewicht beimessen. Fakt ist allerdings: Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis die Zahl der Neuinfektionen die 20.000er-Marke knackt.

Bekanntes Muster

Viele der Argumentationen in dieser Frage laufen den wissenschaftlichen Erkenntnissen in eklatant auffälliger Weise entgegen. Es mag fundierte und seriöse Auswertungen und Studien geben, die das unterschiedliche Infektionsrisiko aus den verschiedenen Bereichen belegen. Doch der Hinweis darauf, dass es gerade in diesem oder in jenem Bereich kaum zu Ansteckungen kommt, ist inzwischen längst zur ausgeleierten Floskel verkommen. Da wird auch schon das ein oder andere Mal auf „Studien“ verwiesen, die die eigene Argumentation untermauern. Viele dieser spontanen wissenschaftlichen Erkenntnisse basieren allerdings auf Hörensagen. Mit vermeintlichen Fakten versucht man eine Wahrheit zu generieren, die in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine Meinung.

Diese Meinung wird mit zusammengeklaubten Zahlen und Analysen zum unumstößlichen Fakt gestutzt. Das hat bereits in der Flüchtlingskrise bestens funktioniert. Hier dichtete man den Asylantinnen und Asylanten vier- oder fünfstellige Geldbeträge an, die sie angeblich an Sozialleistungen erhielten. Belege dazu? Fehlanzeige. Und so wurde die Meinung von eben zur dreisten Lüge. Ich halte es für brandgefährlich, in der Coronakrise auf den gleichen Zug aufzuspringen und wahllos mit vermeintlich wissenschaftlichen Fakten um sich zu werfen.

Das Phantom der Krise

Nun behauptet fast jede Branche, dass sie nicht für die steigenden Coronazahlen verantwortlich ist. Die Fallzahlen steigen indes ungehindert weiter. Es gibt daher mehrere Möglichkeiten: entweder die Betriebe und Einrichtungen sagen die Wahrheit und die Infektionen entstehen tatsächlich an anderer Stelle oder sie lügen. Vielleicht machen sie aber auch von beidem ein bisschen. Möglicherweise gibt es gar nicht „den“ Hotspot. Was wäre denn, wenn sich die Übeltäter branchenübergreifend bewegten? Und das nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Raum? Was, wenn nicht die Branchen an sich für die Neuinfektionen verantwortlich sind, sondern das Verhalten von einigen Gästen, Kunden und Besuchern?

Man sieht sie schließlich überall: in Bahnen, in Geschäften, in dicht gedrängten Einkaufsstraßen. Die obligatorischen Falschträger und Maskenverweigerer gehören fast so lange zum Bild wie es die Pandemie gibt. Wie Quotenmenschen schlängeln sie sich durch alle Bereiche des Lebens. Diese unverantwortlichen Mitbürger pfeifen auf die geltenden Hygienebestimmungen. Tagsüber tragen sie die Maske bestenfalls direkt unter der Nase. Erbarmt sich der Bahnfahrer dazu, die Heizung anzustellen, wandert der Stofffetzen gerne auch mal bis unter das Kinn. Zwischendurch beglücken sie zwei Aldi- und eine REWE-Filiale mit ihrem Besuch. Dort greifen sie beherzt in die Obst- und Gemüseauslage – keine Frucht kann ihrem Griff entkommen. An der Kasse fehlt ihnen die Bewegung. Sie merken, dass sie frieren und kuscheln sich vertraut an die wartende Person vor ihnen. Den Tag runden sie mit einer legendären Coronaparty ab, zu der neben den 270 facebook-Freunden auch sämtliche Follower von Instagram eingeladen sind.

Vertrauter Feind

Diese Menschen sind dafür verantwortlich, dass die Zahlen ins unermessliche steigen und Restaurants, Hotels und Fitnessstudios wieder dichtmachen mussten. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass wir erneut solch schwere Einschränkungen ertragen müssen. Und hier wird’s schwierig: Diese Unverantwortlichen sind ausgesprochen heterogen. Es sind nicht überwiegend Männer und auch nicht vorwiegend Frauen. Sie können jung und alt sein, groß und klein. Sie können einen Professorentitel tragen oder ihre schulische Karriere bereits nach der neunten Klasse Hauptschule beendet haben. Für Bequemlichkeit ist Intelligenz kein Hindernis. Das einzige, was diese Menschen gemeinsam haben, sind schöne Nasen. Diese wollen sie mit der ganzen Welt teilen. Keine Maske, kein Abstandsstrich, keine Kontaktbeschränkung und erst recht keine Sperrstunde kann sie davon abhalten.

Vielleicht gäbe es ja aber doch eine Möglichkeit, dem unverantwortlichen Treiben dieser Menschen Einhalt zu gebieten. Wenn sie ausreichend gesellschaftlichen Druck zu spüren bekämen, würden viele von ihnen möglicherweise einlenken. Stattdessen werden sie seit Monaten geduldet, um nicht zu sagen hofiert. Der Frust und der Zorn richtet sich gegen die Politik, insbesondere gegen die Bundesregierung. Sicher kann die Zielgenauigkeit und auch das Zustandekommen der beschlossenen Maßnahmen kritisiert werden. Ist es sinnvoll, sämtliche Restaurants zuzumachen? Hätte nicht vorher das Parlament befragt werden müssen? Sicher ist aber auch, dass die Regierung aufgrund der jüngsten Entwicklungen unter gewaltigem Zugzwang stand. Sie lenkt dagegen, weil sie es muss. Den Grund dafür haben andere geschaffen.

Gefährliche Dynamik

Eine kleine Minderheit in der Bevölkerung lässt keine Gelegenheit aus, die Hygienemaßnahmen zu unterwandern und mit Füßen zu treten. Immer wieder muss die Mehrheit das Fehlverhalten dieser Minderheit ausbaden – ob durch Hamsterkäufe, verschärfte Maskenpflicht oder gestrichene Theaterbesuche. Es ist falsch, andere dafür verantwortlich zu machen. Der Finger muss auf jeden deuten, der in der Bahn die Maske runterzieht, sobald der Kontrolleur sich umdreht. Stattdessen versteifen sich immer mehr auf die Politik als den Unheilbringer in der Coronakrise. Den absoluten Tiefpunkt an menschlichem Niveau erreichten kürzlich der Wirt einer Bar in Berlin: Er erteilte der Bundeskanzlerin kurzerhand Hausverbot. Als die Zustimmung dafür vorwiegend aus der rechten Ecke kam, ruderte er zurück. Den fragwürdigen Beifall hätte man leicht vorhersehen und vermeiden können. Aber es eben immer leichter, gegen eine weit entfernte Gruppe vorzugehen als sich mit den Offensichtlichkeiten auseinanderzusetzen.

Eine dieser Offensichtlichkeiten sind schlechte Vorbilder, die auch in der Politik vertreten sind. Die AfD gibt all denen Rückhalt, die zu feige sind, sich den Problemen zu stellen. Im Falle der Hygienemaßnahmen sind die Rechtspopulisten sogar aufgestiegen. Sie sind nun nicht mehr nur geistige Brandstifter, sondern aktive Vormacher. Immer wieder fallen die Abgeordneten der Fraktion im Bundestag durch eine sehr laxe Handhabung der allgemein gültigen Verordnungen auf. Wie soll die Pandemiebewältigung gelingen, wenn selbst im Bundestag Menschen sitzen, die mehr Probleme schaffen als welche zu lösen?

Solche Menschen setzen eine gefährliche Dynamik in Gang. Das Fehlverhalten weniger provoziert umfangreichere und härtere Maßnahmen, um der Lage Herr zu werden. Diejenigen, die den bisherigen Einschränkungen skeptisch gegenüberstanden, fühlen sich in ihren Ansichten bestätigt und torpedieren die härteren Maßnahmen. Die Querdenker und Querschießer der Nation haben Zulauf und machen ihrem Namen alle Ehre. Sie kommen der Sicherheit und der Gesundheit der Bevölkerung nämlich tatsächlich in die Quere. In ekelhafter Selbstgefälligkeit rühmen sie sich dafür, eine andere Meinung zu haben als die Mehrheit. Sie merken nicht, dass echte Kritik immer eine Verbesserung beabsichtigt. Sie aber zerstören.


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