Züge von gestern, Mobilität für morgen

Lesedauer: 5 Minuten

Die Zukunft der Mobilität liegt auf der Schiene. Der Traum vieler Klimafreunde wird mit der Deutschen Bahn leider noch lange Utopie bleiben. Verspätete Züge, Fahrtausfälle und Weichenstörungen gehören leider immer noch zum Alltag bei dem traditionsreichen Unternehmen. Es ist erfrischend, dass die Bahn mit dem FlixTrain nun Konkurrenz bekommen hat. Bisher machen die recycelten Züge vor, wie es eigentlich laufen sollte: pünktliche Abfahrten, guter Service und keine überfüllten Züge. FlixTrain ist auf der Schiene lange nicht so erprobt wie die Deutsche Bahn, doch schon heute ziehen viele die grüne Alternative dem Großkonzern allein schon aus preislicher Sicht vor. Die DB zeigt sich bisher wenig flexibel – und wird damit ihrem eigenen Anspruch als zukunftsorientiertes Unternehmen nicht gerecht.

Konkurrenz auf der Straße

Seit fast zehn Jahren hat die Deutsche Bahn einen ernstzunehmenden Konkurrenten. Verschiedene Fernbusunternehmen sorgen nämlich seit 2013 für mehr Mobilität auf deutschen Straßen. Seitdem erlebte der Busverkehr eine regelrechte Renaissance. Vorbei waren die Zeiten, als man sich zu viert oder gar zu fünft in einen viel zu kleinen PKW zwängte, weil man sich die hohen Fahrkartenpreise für die Schiene nicht leisten konnte. MeinFernbus, FlixBus und Co. versprachen ausreichend Beinfreiheit und großzügige Möglichkeiten, das Gepäck zu verstauen – und das für einen überraschend kleinen Preis.

Seitdem sind besonders die Fernbusrouten in Studentenstädte beliebt. Die Studis können unkompliziert für ein Wochenende in die Heimat und wieder zurückfahren, ohne dabei ein kleines Vermögen hinblättern zu müssen. Die einstigen Preise von teilweise unter 5 Euro konnten die Unternehmen zwar nicht halten, trotzdem macht sich der Unterschied zwischen Bahn und Fernbus deutlich im Geldbeutel bemerkbar. Hin- und Rückfahrt sind in vielen Fällen weiterhin günstiger als ein One-Way – Ticket mit dem Zug.

Alternative in Grün

Zugegeben, die Abfahrtszeiten mancher Fernbuslinien lassen doch zu wünschen übrig. Mancheiner muss sich zu unchristlich frühen Zeiten aus dem Bett quälen, um den einzigen Bus des Tages zu erwischen. Mit der Bahn ist man da schon flexibler. Trotzdem rechtfertigt das noch lange nicht den mitunter gewaltigen preislichen Unterschied bei den Tickets.

Mittlerweile beherrscht FlixBus den Fernbusmarkt nahezu alleine. Die übrigen großen Unternehmen der Branche hat der Mobilitätsriese im Laufe der letzten Jahre entweder aufgekauft oder in die Insolvenz getrieben. FlixBus und Fernbus werden heute synonym verwendet.

Das Imperium von FlixBus hat inzwischen sogar die Schiene erreicht. Mit dem FlixTrain reisen die Passagiere seit einiger Zeit noch unkomplizierter und schneller zwischen den Metropolregionen der Nation. Auf den ersten Blick macht der neue Eisenbahnbetrieb jedoch nicht viel her. Die Fahrten werden mit ausrangierten Wägen der DB durchgeführt. Entsprechend in die Jahre gekommen sind die Züge auch. Die Türen sind mehr als gewöhnungsbedürftig, es gibt keine Klimaanlage und auch Steckdosen oder ein W-Lan – Passwort sucht man vergebens.

Beim Fahrterlebnis kann die Deutsche Bahn jedoch nicht mithalten: Die Fahrten des FlixTrain sind fast immer pünktlich, die Ansagen erfolgen zuverlässig und sind verständlich. Doch der FlixTrain verfügt über einen weiteren gewaltigen Vorteil. Wenn alle Sitzplätze gebucht sind, werden keine weiteren Fahrkarten mehr verkauft. Damit stellt das Unternehmen sicher, dass Fahrten nicht überbucht oder überfüllt sind. Jedem Passagier wird ein Sitzplatz zugewiesen. Schlangen- und Grüppchenbildung in den Gängen und in den Türbereichen gibt es nicht.

Ein zukunftsorientiertes Unternehmen?

Es ist natürlich fraglich, ob FlixTrain diesen Zustand auch dann noch garantieren kann, wenn das Unternehmen weiter expandiert und noch mehr Menschen auf diese Züge umsteigen. Momentan läuft aber alles erstaunlich reibungslos. Der Betrieb ist weniger anfällig für Störungen als das bei der Deutschen Bahn der Fall ist. Das Traditionsunternehmen fällt besonders in den letzten Monaten immer wieder negativ auf, weil Züge mitten auf der Strecke liegenbleiben, bestimmte Stellwerke ständig Probleme machen oder weil die Kommunikation von Störungen und Verspätungen mangelhaft ist.

Fakt ist: Die Deutsche Bahn hat ein wesentlich größeres Angebot an Verbindungen als FlixTrain. Kundinnen und Kunden sind dadurch flexibler, weil sie bequem auf andere Verbindungen umsteigen können und der Ausfall eines einzelnen Zuges selten die Reise an sich gefährdet. All diese Vorteile gegenüber der jungen Konkurrenz in Grün rechtfertigt aber lange nicht die teilweise schwindelerregenden Preise der DB AG.

Es kann einfach nicht sein, dass man als Früh- wie Spätbucher mit dem Flieger günstiger in die Bundeshauptstadt kommt als mit dem Zug. Es ist nicht zu vermitteln, warum eine einfache Fahrt von Stuttgart nach Berlin mitunter über 100 Euro kostet. Die Deutsche Bahn geriert sich gerne als nachhaltiges und umweltbewusstes Unternehmen. Es wird tatsächlich immer so sein, dass eine Zugfahrt weitaus weniger klimaschädliche Emissionen verursacht als eine Reise mit dem Flugzeug. Warum aber lässt sich die Deutsche Bahn dann von den fliegenden Umweltkillern preislich unterbieten?

Mit seinen aktuellen Preisen kann der DB-Konzern jedenfalls nicht das Transportunternehmen der Zukunft sein. Die Konkurrenz in Form von FlixTrain beweist, dass das Fortkommen auch zu weitaus günstigeren Konditionen möglich ist. Sein angesammeltes Geld sollte das Unternehmen lieber in eine attraktive Netzerweiterung und eine Personaloffensive investieren, um als Anbieter in Zukunft ansprechend zu sein. Immerhin nutzen viele Menschen die Bahn nur deshalb nicht, weil sie sich die hohen Preise nicht leisten können oder ihnen keine passende Verbindung zur Verfügung steht. Wenn die Deutsche Bahn hier klug gegensteuert, leistet sie einen wertvollen Beitrag zu einer klimafreundlichen Verkehrswende.


Mehr zum Thema:

Überforderung mit Ansage

Teile diesen Beitrag als erstes. Naaa looos!

Überforderung mit Ansage

Lesedauer: 6 Minuten

Bitte aussteigen – der Zug möchte abfahren: Seit Einführung des 9-Euro – Tickets treten die Missstände bei der Deutschen Bahn immer offener zutage. Noch häufiger als in den Jahren zuvor kommt es zu Verspätungen, Zugausfällen und hoffnungslos überfüllten Zügen. Das 9-Euro – Ticket ist nicht Grund für die Probleme, sondern lediglich ihr Katalysator. Es ist deutlich zu sehen, dass die Deutsche Bahn ihrer Verantwortung als nachhaltig orientiertes Unternehmen weiterhin nur sehr unzureichend nachkommt.

Selbsterfüllende Prophezeiung

Mit dem 9-Euro – Ticket wollte die Bundesregierung ein Prestigeprojekt vorweisen, mit dem sie einerseits Handlungsfähigkeit in der Krise bewies als auch eine nachhaltige Verkehrspolitik einläutete. Im Gegensatz zu vielen Vorhaben der Vorgängerregierungen war die Einführung des Beinahe-Umsonst – Tickets eine nahezu revolutionäre Idee. Für viele war sie wohl zu revolutionär, denn schon Wochen, bevor man mit dem Ticket in den Nahverkehr steigen konnte, wetterten viele Medien einhellig gegen die Pläne der Regierung. Sie befürchteten eine totale Überlastung des öffentlichen Nahverkehrs, sie warnten vor chaotischen Zuständen an den Bahnhöfen und sie prophezeiten massenweise Zugausfälle.

Das traurige an der Geschichte: Sie hatten recht. Viele Fahrgäste berichten von hoffnungslos überfüllten Zügen, besonders an Wochenenden und Feiertagen. Es mehren sich außerdem die Meldungen, dass einzelne Fahrgäste auf den nächsten Zug warten mussten, weil ihr ursprünglicher Zug keine weiteren Passagiere mehr aufnehmen konnte.

Alles beim Alten

Die Flut an Fahrgästen kam nicht überraschend. Sie trifft aber auf ein System, das in keinster Weise auf die höhere Auslastung vorbereitet wurde. Das 9-Euro – Ticket wurde einem Unternehmen übergestülpt, das seit Jahren kaputtgespart wird und seiner Aufgabe, Personen zuverlässig von A nach B zu transportieren, nicht mehr gerecht wird.

Auch die Verspätungen und Zugausfälle, die von den Medien beschworen wurden, sind so eingetreten. Mit ihrer Vorhersage landeten die Zeitschriften aber keinen Sechser im Lotto. Schon lange vor Einführung des 9-Euro – Tickets standen solche Zustände an der Tagesordnung. Wie beim Roulette mussten die Fahrgäste darum bangen, dass ihre gebuchte Verbindung so zustandekam. Lange Schlangen vor den Schaltern und rauchende Köpfe wegen unverschämt hoher Verspätungen prägten das Bild deutscher Bahnhöfe vor und während des 9-Euro – Tickets. Sehr wahrscheinlich werden sie es auch danach noch tun.

Wie ein Brennglas

Spontane Gleiswechsel, Personalnot, Verspätungen und Zugausfälle gehören seit vielen Jahren zu einer zünftigen Zugfahrt dazu. Das 9-Euro – Ticket hat diese Probleme nur auf ein neues Level gehoben. Schonungslos legt es die bereits vorhandenen Probleme offen. Es drängen sich geradezu Parallelen zur Belastung des Gesundheitssystems auf. Auch deutsche Krankenhäuser waren mit dem großen Patientenaufkommen infolge der Coronapandemie heillos überfordert. Die Ursache war die gleiche: Falsche Finanzentscheidungen, routinierter Personalabbau und eine Profitlogik lassen die Infrastruktur auf der Schiene und in den Krankenhäusern zusehends verrotten.

Schon vor dem 9-Euro – Ticket musste man gar nicht so genau hinsehen, um die Schwachstellen im Nah- und Fernverkehr zu bemerken. Verzögerungen aufgrund von Fahrzeugschäden und -ausfällen standen an der Tagesordnung, auf manchen Streckenabschnitten mussten die Lokführer die Geschwindigkeit drosseln – die schlecht gewarteten Gleise hätten einer höheren Geschwindigkeit kaum standgehalten.

Keine Zeit für Selbstkritik

Trotzdem wurde es für manche Menschen zum Luxus, einen betriebenen Bahnhof in der Nähe zu haben. Seit den 1950er Jahren wurden immerhin rund 15.000 Kilometer Schiene stillgelegt, inklusive aller dazwischenliegenden Haltepunkte. Seit den 00er-Jahren stagnieren die Zahlen zwar, einen nachhaltigen Ausbau des Schienennetzes hat es trotzdem nicht gegeben. Das 9-Euro – Ticket hat daran nichts geändert und die Bewohnerinnen und Bewohner vieler Orte sind auch weiterhin auf das Auto angewiesen.

Genau so wie die Ungeimpften im Herbst 2021 nicht für die katastrophalen Zustände in deutschen Krankenhäusern verantwortlich waren, ist das 9-Euro – Ticket nicht schuld an den überfüllten Zügen und ausfallenden Anschlüssen. Die Deutsche Bahn springt aber bereitwillig auf den medialen Zug auf und versucht sich aus ihrer Verantwortung zu winden. Schuld sind plötzlich die Fahrgäste, die aufgrund der günstigen Konditionen mit der Bahn fahren wollen. Zeit für Selbstkritik hat das Unternehmen offenbar nicht.

Ein nachhaltiges Unternehmen?

Ihrer Aufgabe ist sich die Deutsche Bahn AG ganz und gar nicht bewusst. Im Schienenverkehr geht es nicht nur darum, die Passagiere zügig von einem Ort zum anderen zu bringen – selbst daran scheitert der Konzern immer wieder. In der heutigen Zeit sind Anbieter wie die DB doch auch Verantwortungsträger für eine nachhaltige Gesellschaft. Wie soll die Trendwende in der Klimakrise gelingen, wenn nicht endlich viel mehr Menschen vom Auto auf die Bahn umsteigen?

Die Deutsche Bahn macht jedenfalls keinerlei Anstalten, den Bürgerinnen und Bürgern den Umstieg besonders leichtzumachen. Das 9-Euro – Ticket kam zugegeben zügig, aber es kam nicht über Nacht. Man hätte die Zeit nutzen können, um die offensichtlichen zu erwartenden Probleme zumindest abzufedern. Nicht ist geschehen. Der Morgen des 1. Juni war plötzlich da.

Auch die DB-App ist an vielen Stellen eine Enttäuschung. Die Angaben zu Zugverbindungen sind teilweise irreführend, weil erst auf den zweiten Blick klar wird, dass Züge ausfallen, Alternativen werden zwar als solche gekennzeichnet, gehen aber unter, wenn sie erst später in der Liste der Verbindungen auftauchen. Auch die Preisangaben für Tickets sind ein Fall für die Verbraucherzentrale. Die günstigen Konditionen gelten nur, wenn man Mitglied im Club ist und sich mindestens eine BahnCard zulegt. Kundenfreundliche Information sieht wahrlich anders aus.


Die deutsche Schiene braucht einen Reboot. Das gilt nicht nur für die Pünktlichkeit der Züge, sondern auch für das Angebot an Verbindungen und die Unternehmensphilosophie. Die Deutsche Bahn kann sich ihrer Verantwortung in der aktuellen Lage nicht länger entziehen und Krokodilstränen wegen des 9-Euro – Tickets vergießen. Die Mentalität der Weinerlichkeit muss endlich Platz machen für eine neue Ära der Entschlossenheit und nachhaltigen Mobilität.


Mehr zum Thema:

Ein vielversprechendes Projekt

Teile diesen Beitrag als erstes. Naaa looos!