Nur zweite Wahl?

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Die zweite selbstorganisierte bundesweite Volksabstimmung steht in den Startlöchern. Momentan können die Bürgerinnen und Bürger auf der Beteiligungsplattform consul über die eingereichten Themenvorschläge abstimmen. Viele umtreibt dabei die sinkende Repräsentation des Wählerwillens in den Parlamenten, weil sich immer weniger Menschen von den etablierten Parteien vertreten fühlen. Um ihre Stimmen nicht verfallen zu lassen, soll es nun eine Ersatzstimme richten. So originell der Vorschlag auch sein mag, verfehlt er das eigentliche Ziel. Gestärkt wird nicht die demokratische Teilhabe, sondern Verdruss und politischer Stillstand.

Im politischen Abseits

Die Wahlbeteiligung in Deutschland ist zu gering. Auch wenn sich die Quote bei den letzten Wahlen bei ungefähr 75 Prozent eingependelt hat, besteht für Schulterklopfen kein Anlass. Dazu kommt, dass sich immer mehr Menschen von keiner kandidierenden Partei mehr vertreten fühlen oder ihre Stimme nicht gezählt wird, weil die Partei ihrer Wahl an der 5-Prozent – Hürde gescheitert ist. Bei der Bundestagswahl 2013 beispielsweise traf das auf rund ein Zehntel der Wählerinnen und Wähler zu, weil sowohl AfD als auch FDP den Einzug in den Bundestag knapp verpasst hatten.

Immer lauter werden jetzt die Rufe nach einer Ersatzstimme, damit der eigene politische Wille auf jeden Fall abgebildet wird. Falls die erste Wahl nicht in den Bundestag einzieht, zählt die Ersatzstimme für eine der etablierten Parteien. Für ebendiese ist eine solche Regelung auch gedacht. Eine Ersatzstimme gäbe den großen Parteien die Gewissheit, am Ende sowieso gewählt zu werden. Die Ersatzstimme zementiert ihre Macht und verhindert demokratischen Wandel, anstatt ihn zu fördern.

Wählen mit Weitsicht?

Eine dritte Stimme wäre zudem ein Hindernis, um politische Unzufriedenheit auszudrücken. Denn wer wählt aus Protest eine kleine Partei, wenn er sich mit der Ersatzstimme die Option einer großen Partei offenhält? Für echte Protestwähler ist dieser Vorschlag überhaupt nicht geeignet.

Die Ersatzstimme ist außerdem undemokratisch, weil bestimmte Wählerinnen und Wähler dadurch eine Stimme mehr hätten als andere. Wer von der Ersatzstimme Gebrauch macht, bereitet sich auf ein mögliches Szenario vor. Bei freien demokratischen Wahlen geht es aber gerade darum, dass man das Ergebnis nicht kennt und sich entsprechend nicht darauf vorbereiten kann.

Zweite Wahl

Die Gewissheit – oder zumindest der Verdacht – man war für die Wähler nur zweite Wahl, kann sich nachteilig auf politisches Engagement in den Parteien auswirken. Die Gefahr von Abgeordneten zweiter Klasse ist nicht von der Hand zu weisen, wenn manche Parlamentarier einzig aufgrund der Ersatzstimme im Plenum sitzen. Auch politische Innovation wird auf diese Weise unterdrückt.

Die zentrale Überlegung bei einer Ersatzstimme ist die Wahrung der politischen Repräsentation möglichst vieler Menschen. Genau das Gegenteil wird aber eintreten. Es wird immer so sein, dass die zweite Wahl mit höherer Wahrscheinlich zum Zuge kommt als die erste Wahl. Zwar drückt die Ersatzstimme die theoretische Präferenz aus, kleine Parteien werden dennoch abgewürgt.

In Zeiten der zunehmenden politischen Diversifizierung und der gerade beschlossenen Wahlrechtsreform wäre es daher sinnvoller, das Quorum auf beispielsweise 3 Prozent zu senken. So würden auch solche Wähler gehört werden, die sich von keiner der etablierten Parteien vertreten fühlen. Es wäre ein echter Anstoß für die großen Parteien, über ihre Programme nachzudenken.

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