Kanzlerkandidat aus Höflichkeit

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Die SPD bleibt sich treu: Auch in diesen Bundestagswahlkampf zieht sie frohen Mutes mit einem völlig unbrauchbaren Kanzlerkandidaten. Mit Olaf Scholz legt die ehemalige Volkspartei sogar noch eine Schippe oben drauf: Der treue Großkoalitionär und Hartz-IV – Verfechter soll möglichst überzeugend die Idee der sozialen Gerechtigkeit verkörpern. Mit ihm möchte die SPD wieder ins Kanzleramt ziehen, obwohl sich die Partei gefährlich der Einstelligkeit nähert. Doch auch seine aussichtsreicheren Kontrahenten vermögen es nicht, in der Bevölkerung die Hoffnung auf einen politischen Kurswechsel zu wecken. Dabei ist die Auswahl dieses Mal ungewöhnlich groß…

Der Dritte im Bunde

Die parlamentarische Sommerpause hat begonnen, der Wahlkampf nimmt allmählich an Fahrt auf. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten findet sich Armin Laschet in seiner neuen Rolle als Kanzlerkandidat immer besser zurecht. Die Grünen nominierten mit Annalena Bearbock im April ebenfalls eine aussichtsreiche Kandidatin für den Posten der Regierungschefin. Die Umfragen zeigen, dass sich beide Kandidaten berechtigte Hoffnungen machen dürfen, die nächste Regierung anzuführen.

Die Arena des Kanzlerkampfs müssen sich die beiden allerdings mit einem dritten Akteur teilen. Auch die SPD meldet Führungsansprüche an und schickt Olaf Scholz ins Rennen. Drei Kanzlerkandidaten vor einer Bundestagswahl hat es in Deutschland zuvor nicht gegeben. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen, könnte man nun meinen. Doch die Kandidatur von Olaf Scholz ist nichts weiter als ein schlechter Treppenwitz. Die SPD verweigert sich weiterhin der Realität und kommt nicht damit klar, dass sie selbst die zweite Geige im Staat längst abgegeben hat.

Klare Gewinner, klare Verlierer?

Schaut man sich die Umfragewerte zur Bundestagswahl an, so zeichnet sich ein klares Bild. Die Union ist mit Abstand die stärkste Kraft im Land. Deutlich abgeschlagen kommen die übrigen Parteien . Mit Ausnahme der Grünen schafft es keine von ihnen, auf über 20 Prozent zu kommen. Die Grünen sind die einzige Partei, die der Union gefährlich werden könnte. Ernsthafte Ambitionen, die nächste Regierung anzuführen, macht sich keine der übrigen Parteien – mit Ausnahme der SPD.

Nun haben sich die Umfragewerte besonders in letzter Zeit als wenig zuverlässig erwiesen. In Sachsen-Anhalt erlebte die AfD kürzlich ihr blaues Wunder. Trotzdem stimmte der grobe Trend in den Umfragen meistens. Das prognostizierte Kopf-an-Kopf – Rennen zwischen CDU und AfD blieb zwar aus, allerdings behielten die Befragungen recht damit, dass diese beiden Parteien die beiden stärksten werden würden. Der AfD erging es wie vielen Parteien zuvor: Gebauchpinselt von wohlwollenden Umfragen fiel das letztendliche Wahlergebnis enttäuschend mager aus. Auch der SPD könnte es nach der Wahl am 26. September so gehen.

Germany’s Next Vizekanzler

Nach dem Schulz-Hype 2017 rechnete niemand ernsthaft damit, dass die SPD so desaströs verlieren würde. Seitdem waren die Sozen stets darum bemüht zu beweisen, dass es immer noch ein bisschen schlechter ging. Bei manchen Landtagswahlen landeten sie zwischenzeitlich im einstelligen Bereich. Das heißt aber lange nicht, dass die SPD nicht auch ein überraschend gutes Ergebnis einfahren könnte. Momentan liegt sie bei den Zustimmungswerten bei etwa 16 Prozent. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber durchaus möglich, dass sie bei der Wahl im September 20 Prozent holt.

Jeder weiß aber, dass die SPD meilenweit davon entfernt ist, die nächste Bundesregierung anzuführen. Rechnerisch sind mehrere Regierungsbeteiligungen drin. Doch ob Ampel, Deutschland oder Grün-Rot-Rot – bei allen diesen Farbenspielen nimmt die SPD nur eine untergeordnete Rolle ein. Die Omnipräsenz von Olaf Scholz bei der K-Frage lässt sich eigentlich nur so erklären, dass er den Kandidaten von Union und Grünen aufzeigen möchte, auf welchen Vizekanzler sie sich unter Umständen einlassen.

Ein alter Bekannter

Olaf Scholz ist aber auch aus anderen Gründen als Kanzlerkandidat völlig ungeeignet. Als ewiger Verfechter von Hartz-IV, Sozialabbau und Niedriglohn ist er einer der Gründe, warum die SPD so viele Wählerinnen und Wähler verloren hat. Er fügt sich zwar dem neuerlichen Kanon der Partei, mit dem sie fleißig nach links blinkt, doch ernsthafte kritische Töne zum antisozialen Kurs der letzten Jahre schlägt er nicht an.

Wie sollte er das auch glaubwürdig rüberbringen? Immerhin war Olaf Scholz an mehreren Bundesregierungen unter Angela Merkel beteiligt – immer in einer Großen Koalition. Als Vizekanzler seit 2018 machte er sich wohl Hoffnungen Angela Merkel auf ihrem Posten bald beerben zu können, doch für die meisten Wählerinnen und Wähler ist er nichts weiter als ein Architekt der allseits verhassten Großen Koalition. Als Mitglied der noch amtierenden Regierung hat er es natürlich schwer, echte Impulse für Veränderung zu setzen. Martin Schulz war da vor vier Jahren in einer deutlich komfortableren Position. Andererseits haben es auch Größen wie Willy Brandt vermocht, den Koalitionspartner trotz Ministeramt in die Opposition zu verbannen.

Keine Lust auf Neuanfang

Die Voraussetzungen für einen Machtwechsel im Kanzleramt sind jedenfalls denkbar günstig. Spätestens seit Angela Merkels Ankündigung, bei der Bundestagswahl 2021 nicht erneut anzutreten, stand fest, dass die Karten neu gemischt werden. Im Laufe der Monate hatten sich dann auch die drei Kanzlerkandidaten herauskristallisiert, obwohl das besonders bei der Union eine schwere Geburt war. Trotz des zwangsläufigen Kanzlerwechsels kam eine echte Wechselstimmung bislang aber nicht auf.

Angela Merkel machte sich in ihrer Amtszeit als Kanzlerin stets eine Heidenfreude daraus, ihre Koalitionspartner kaputtzuregieren und letztendlich von der Schwäche der anderen zu profitieren. Aber selbst zu ihren besten Zeiten lag mehr Wechselstimmung in der Luft als jetzt. Als Martin Schulz vor vier Jahren als der große Heilsbringer der SPD vermarktet wurde, da dachten viele, Merkels Kanzlerschaft endete nach zwölf Jahren. Die Kanzlerkandidaten von 2021 wirken blass und kraftlos im Vergleich zu St. Martin von 2017.

Künstlich erzeugtes Angebot

Der Schulz-Hype war womöglich die letzte Chance für die SPD, etwas in diesem Land zu bewegen. Doch wieder einmal verpassten die Sozen den Zug. Kurzzeitig gab es dieses Jahr einen vergleichbaren Trubel um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock. Doch schon bevor ein ganz besonders spitzfindiger österreichischer Plagiatsjäger die Kanzlerkandidatin des Abschreibens bezichtigte, hatte sich die Euphorie um die potentiell erste grüne Kanzlerin schon wieder gelegt.

Merkels freiwilliger Rückzug wäre eigentlich die Stunde der SPD. 2017 feixte die einstige Volkspartei noch, als sie gegen Merkels Willen die Ehe für Alle durchsetzte. Solch ambitioniertes Aufbegehren gegen den Koalitionspartner lässt die SPD dieses Jahr lieber bleiben. Man möchte sich vor den Wählerinnen und Wählern schließlich als seriöse Partei gerieren und sich nicht der Lächerlichkeit preisgeben. Vielleicht hat die Partei aber auch insgeheim eingesehen, dass ihr lautstarkes Gezeter gegen die Union im Wahlkampf wenig nützen wird.

Das Aufeinandertreffen der Kanzlerkandidaten am 20. Mai im öffentlich-rechtlichen Fernsehen war ein Schlagabtausch mit Wattebäuschen. Die Teilnehmer bemühten sich zwar um Konfrontation, doch war jedem klar, dass sie mit Baerbock und Laschet zwei Wunschkoalitionspartner vor sich hatten. Die Anwesenheit von Olaf Scholz ließ das Spektakel dann vollends zur Farce verkommen. Mit drei Anwärtern ums Kanzleramt sollte den Zuschauerinnen und Zuschauern eine echte Auswahl vorgegaukelt werden. Längst ist vielen aber klar, dass keine der drei Kandidaten einen echten Wechsel herbeiführen wird. Und so bleibt eine echte Wechselstimmung weiter aus.


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