Epidemische Realitätsverweigerung

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Mit dem 25. November 2021 endete in Deutschland die Pandemie offiziell. Die epidemische Lage von nationaler Tragweite wurde nicht wieder verlängert. Gleichzeitig geraten immer mehr Krankenhäuser und Intensivstationen ans Limit, mancher denkt laut über Triage nach. Die Infektionszahlen schnellen seit Wochen in die Höhe, eine neue Virusvariante aus Südafrika reißt das Zepter an sich. Die Antworten der Politik auf diese bedrohliche Lage grenzt an Realitätsverweigerung: 2G muss ausgeweitet werden. Die Ungeimpften sind schuld an den katastrophalen Zuständen. Durch falsche Akzente und eine fehlgeleitete Kommunikation erweist sich der Staat in der Krise als immer handlungsunfähiger.

Weihnachtsmarkt in 2G

In Deutschland tobt die vierte Welle der Pandemie und fordert täglich hunderte Menschenleben. Die Intensivstationen laufen voll, das Personal ist am Limit. Die Nachrichtensendungen überschlagen sich mit neuen Rekordinzidenzen und düsteren Prognosen für unser Gesundheitssystem. Lange war die pandemische Lage nicht so bedrohlich wie in diesem Herbst.

Ungeachtet dieser dramatischen Entwicklungen locken die Weihnachtsmärkte vielerorts mit Glühwein, Bratwürsten und gebrannten Mandeln. Auch wenn vereinzelte Städte in diesem Jahr komplett auf das Spektakel verzichten, ließen sich Großstädte wie Frankfurt, Karlsruhe oder Stuttgart lange Zeit nicht beirren. Um dem ganzen einen Hauch von Sicherheit beizufügen, gibt es auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt einen exklusiven 2G-Bereich. In dieser Schutzzone können sich Geimpfte und Genesene so richtig austoben, bevor sie sich wieder unter den ungeimpften Pöbel begeben und die gerade aufgeschnappten Viren unkontrolliert an ihre Mitmenschen abgeben.

Auch die feierliche Eröffnung der fünften Jahreszeit wollten sich viele Karnevalsliebhaber nicht noch einmal nehmen lassen. Standesgemäß läuteten sie am 11. November um 11:11 Uhr die Narrenzeit ein – Schunkeln, Küsschen und Alkohol inklusive. Auch diese Sause stieg unter 2G-Bedingungen. Dem Virus war das herzlich egal.

Anonyme Infizierte

Und wie reagiert die Politik auf die sich zuspitzende Infektionslage? Obwohl die Inzidenzen bereits im Sommer wieder nach oben tendierten, schaffte die Regierung pünktlich zum Beginn der kalten Jahreszeit die kostenlosen Schnelltests ab. Die Begründung ist so fadenscheinig wie dünn: Weil fast allen Menschen im Land ein Impfangebot gemacht werden kann, sind flächendeckende Testmöglichkeiten nicht mehr nötig.

Dabei ist ein breites Testangebot gerade bei hoher Impfquote besonders wichtig. Bleiben schwere Verläufe oder sogar Symptome aufgrund der Impfung aus, können Infektionen fast ausschließlich von Tests aufgedeckt werden. Wer sich nicht impfen lassen kann oder will, ist ansonsten unnötig schwer gefährdet.

Das Ende der Pandemie

Im Bund schwelte aber über Wochen noch eine weitere brisante Diskussion. Schon in der zurückliegenden Legislaturperiode mehrten sich die Stimmen, die ein Ende der epidemischen Notlage herbeisehnten. Diese Strömungen haben sich nun durchgesetzt. Die noch nicht vereidigte Ampelkoalition nutzte ihre Mehrheit im Parlament, um die epidemische Notlage von nationaler Tragweite Ende November auslaufen zu lassen. Der zukünftigen Regierung war dieses Anliegen wohl besonders wichtig. Immerhin ist die alte Regierung der GroKo noch geschäftsführend im Amt. Die Union hat dem Ende der Notlage bezeichnenderweise widersprochen.

Diese weitreichende Entscheidung kam zum völlig falschen Zeitpunkt. Seit Monaten steigen die Inzidenzen und unterschieden sich zeitweise nicht all zu sehr von den Werten ein Jahr zuvor. Zwischenzeitlich toppen die Infektionszahlen aber sogar den bisherigen Höchststand in der dritten Welle. Es leuchtet nicht ein, warum der Bundestag gerade in dieser kritischen Phase diesen Weg einschlägt.

Indirekt haben die Abgeordneten bestätigt, dass die Lage weiterhin bedrohlich ist. Die Länder behalten weitreichende Kompetenzen zur Eindämmung der Pandemie. Auch das Infektionsschutzgesetz hat die neue Mehrheit geändert. Ein solcher Eingriff in die Grundrechte bei gleichzeitiger Beendigung einer akuten Notlage ist eines Rechtsstaats unwürdig. Keine andere Regierung der Bundesrepublik hat sich so schnell dermaßen undemokratisch verhalten – und das noch vor der offiziellen Zusammensetzung.

Staatsoberhaupt auf Irrwegen

In ihrem Handeln ist die neue Regierung auch ausgesprochen unehrlich. Sie verweist auf die hohe Impfquote, die viele Maßnahmen angeblich nicht mehr nötig mache. Abgesehen davon, dass erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben bestehen, wird die Wirkdauer der neuen Impfstoffe von vielen seriösen Wissenschaftlern mittlerweile in Frage gestellt. Bei einigen Präparaten scheint bewiesen zu sein, dass die Schutzwirkung bereits nach wenigen Monaten rapide abnimmt. In dieser Situation von einem Ende der epidemischen Notlage zu sprechen, grenzt an fahrlässige Körperverletzung.

In einer Fernsehansprache wandte sich der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 15. November direkt an die Bevölkerung. Er rief die bisher Ungeimpften eindringlich dazu auf, sich schnellstmöglich impfen zu lassen, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Er stellte ihnen die Frage, was denn noch passieren müsste, damit sie ihre Entscheidung endlich überdenken würden. Das Staatsoberhaupt schob mit dieser Frage ungeniert den Ungeimpften allein die Schuld an den bedrohlichen Verhältnissen zu.

Eingebildet gesund

Steinmeiers Appell kann 1:1 auf die regierende Politik umgemünzt werden. Was muss denn noch passieren, damit die Damen und Herren Politiker endlich begreifen, dass ihre derzeitige Coronapolitik die Lage eher verschärft als beruhigt? Der generelle Ausschluss von Ungeimpften aus weiten Teilen des öffentlichen Lebens führt dazu, dass sich diese Menschen in den privaten Bereich zurückziehen. Das Virus kann sich dort viel leichter ausbreiten, was besonders im Herbst und Winter fatal ist.

Die 2G-Regelung schafft außerdem eine trügerische Scheinsicherheit. Der Wegfall der Testplicht für Geimpfte und Genesene suggeriert, dass von ihnen keine Infektionsgefahr mehr ausgeht. Obwohl viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser These mittlerweile widersprechen, hält die Politik stur an dieser kontraproduktiven Maßnahme fest. Sie sucht die Schuld für die steigenden Fallzahlen lieber bei den Nicht-Geimpften, obwohl deren Zahl aufgrund der weiter steigenden Impfquote rückläufig ist.

Der Frust der Geimpften

Auch bei einem weiteren Phänomen machen sich die Politikerinnen und Politiker, aber auch Teile der Wissenschaft inzwischen vollkommen lächerlich. Die steigende Zahl an Impfdurchbrüchen begründen sie ausschließlich damit, dass immer mehr Menschen geimpft sind. Beharrlich weigern sie sich einzusehen, dass auch die abnehmende Schutzwirkung der Impfung zur steigenden Zahl an Durchbrüchen beiträgt. Stattdessen konstruieren sie lieber hanebüchene Zusammenhänge zwischen der Zahl an Ungeimpften und den steigenden Inzidenzen.

Es liegt längst auf der Hand, dass die Minderheit der Ungeimpften bei der sich zuspitzenden Lage nur eine untergeordnete Rolle spielt. Mit ihrer Kampagne gegen die Ungeimpften hat die Politik alle anderen quasi zur Unvorsicht aufgerufen. Die meisten sind diesem unverantwortlichen Aufruf zum Glück nicht gefolgt. Es wird aber ein hartes Stück Arbeit werden, auch diese Menschen davon zu überzeugen, dass auch sie von den harten Maßnahmen des nahenden Winters nicht ausgenommen sein werden.

Die Regierung ist vor der Herausforderung eingeknickt, viele sinnvolle Maßnahmen auch für Geimpfte und Genesene aufrechtzuerhalten. Zu groß war die Angst, der hohen Impfmotivation dadurch einen Dämpfer zu verpassen.  Das zeugt von fehlendem Vertrauen auf beiden Seiten. Der künftigen Ampelregierung wird es aber viel schwerer fallen, auch bei Geimpften und Genesenen zu teils harten Einschränkungen zurückzukehren. Die voreilige Entlassung dieser Bevölkerungsgruppe aus dem Kampf gegen die Pandemie wird sich in den kommenden Monaten bitter rächen.


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Hauptsache regieren

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Momentan laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP auf vollen Touren. Das gesteckte Ziel ist eindeutig: Noch vor Weihnachten soll eine Regierung stehen. Das veröffentlichte Sondierungspapier versprach bereits Einigungen in wesentlichen Punkten. Diese betont locker-flockige Harmonie täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass besonders die Grünen zurückstecken mussten. Beim Klimawandel bleibt das Papier chronisch unkonkret, die Finanzierung ist fragwürdig und die kleinen Leute fallen hinten runter. Ein echter Neustart bleibt aus.

Weniger als vier Wochen nach der Bundestagswahl haben sich SPD, Grüne und FDP zu Koalitionsverhandlungen bereiterklärt. Dieser Fortschritt bei der Bildung einer neuen Regierung ist beachtlich, dauerte es in der Ära Merkel doch regelmäßig deutlich länger, bis sich in neues Kabinett zusammenfand. Wie es aussieht, können die drei Parteien ihr Versprechen vom Wahlabend halten: Noch vor Weihnachten wird eine neue Regierung stehen.

Koalition nach Drehbuch

Niemanden dürfte es ernsthaft überraschen, dass sich die Ampel-Parteien in so kurzer Zeit in vielen Punkten einig wurden. Bereits vor der Wahl vom 26. September zeichnete sich ein Ampelbündnis ab. Rot-Grün-Rot war auch wie bei den letzten Wahlen bereits im Wahlkampf kein echtes Thema mehr, Jamaika scheiterte maßgeblich an der Personalie Armin Laschet. Nicht einmal Christian Lindner war bereit, mit dieser tragisch-komischen Witzfigur zu koalieren.

Annalena Baerbock war in den Wochen vor der Wahl eher Dekoration als ernsthafte Konkurrentin. Ihre Aufgabe bei den Kanzlertriellen beschränkte sich darauf, den beiden anderen Kandidaten zu demonstrieren, welche Vizekanzlerin sie sich womöglich ans Bein binden würden. Zwischenzeitlich gilt selbst Baerbocks Vizekanzlerschaft nicht mehr als gesetzt.

Keine Lust auf Weiter-so

Auch die Medien erkannten schnell, welches Potenzial in der Ampel steckt. Nach sechzehn Jahren Merkel wäre es für keinen Unionskandidaten leicht gewesen, den Scherbenhaufen zusammenzukehren und das Machtvakuum der scheidenden Kanzlerin zu besetzen. Armin Laschet hat es den Journalisten und Nachrichtensendungen allerdings schon beachtlich leichtgegemacht, ihm von vornherein den Stempel des geborenen Verlierers aufzudrücken.

Die Lust auf eine Regierung ohne die Union war jedenfalls lange Zeit spürbar. Spätestens am Wahlabend stand fest, dass die alte Kanzlerpartei abzutreten habe. In absoluten Zahlen gemessen, verlor an diesem Abend keine Partei so stark wie die CDU. Die Wahlgewinner des Abends waren SPD, Grüne und FDP. Alle drei Parteien konnten teilweise deutlich zulegen. Eine gemeinsame Regierungskoalition ist allerdings nicht die zwangsläufige Folge daraus.

Vorbei sind die Zeiten der Lagerkoalitionen, in denen ausschließlich Parteien zusammenarbeiteten, die sich politisch besonders nahestanden. Schwarz-Gelb ist schon lange passé und auch eine Mehrheit des linken Lagers dürfte sich nach dem desaströsen Abschneiden der Linkspartei auf absehbare Zeit erledigt haben. Neue Bündnisse sind gefragt und es erstaunt schon, wie schnell sich die drei Akteure grundsätzlich geeinigt haben. Immerhin wurden alle drei Parteien von unterschiedlichen Wählerschichten aus unterschiedlichen Gründen gewählt.

Keine halben Sachen

Auf den ersten Blick scheint das Sondierungspapier eine breitgefächerte Sammlung guter Ideen zu sein. Es ist tatsächlich für jeden was dabei. Schaut man aber genauer hin, so entzaubert sich dieses heißerwartete Dokument des Aufbruchs von selbst. An vielen Stellen bleibt das Papier blass und unkonkret. Besonders die Frage der Finanzierung ist nach wie vor nicht geklärt.

Fakt ist: Die Ergebnisse aus Sondierungsgesprächen sind noch kein Regierungsprogramm. Diesen Anspruch sollte man an die Gesprächsergebnisse der drei Parteien nicht stellen. Trotzdem bleibt der erhoffte Neustart aus, sollten es die wesentlichen Punkte in den Koalitionsvertrag schaffen. Besonders enttäuschend sind dabei die vereinbarten Ziele beim Kampf gegen den Klimawandel. Der vorgesehene Ausbau der erneuerbaren Energien wird nicht ausreichen, um den Energiebedarf des gesamten Landes zu decken. Die Pflicht zum Solardach ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Der Ausstieg aus der Kohleenergie bis 2030 ist lediglich ein idealer Wert. Von grünem Mut fehlt in diesem Sondierungspapier jede Spur.

Ähnlich sehen es auch die Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future. Unmittelbar nach Bekanntgabe der Sondierungsergebnisse protestierten sie lautstark gegen dieses Weiter-so beim Klimaversagen. Bei einer Protestkundgebung vor der SPD-Parteizentrale machten sie deutlich, dass es für sie keine halben Sachen gäbe. Der Frust der jungen Generation ist umso bedauerlicher, waren es doch vorrangig die Erstwähler, die Grünen und FDP das Vertrauen aussprachen.

Hauptsache regieren

Viele Medien sprachen davon, dass die Sondierungsergebnisse die Handschrift der FDP trügen. Es stimmt: An keiner Stelle wird das so deutlich wie beim Verzicht auf ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Durchgesetzt haben sich nicht Verkehrssicherheit und Klimaschutz, sondern die testosterongesteuerte Bequemlichkeit der Liberalen. Es ist beinahe zynisch, dass die FDP dafür eine andere für sie schmerzhafte Konzession gemacht hat: Der Mindestlohn soll in einem Schritt auf 12 Euro steigen.

Das Sondierungspapier offenbart aber auch den unbedingten Willen der Grünen, an der nächsten Bundesregierung beteiligt zu sein. Nur durch sie könne ein echter Aufbruch beim Kampf gegen den Klimawandel kommen. Allerdings attestierten Experten dem grünen Wahlprogramm schon vor der Bundestagswahl, dass viele Forderungen nicht weit genug gingen, um dieser Menschheitsaufgabe zu begegnen. Beinahe logisch ist es daher, dass die Grünen selbst ihre Mini-Forderung mit dem Tempolimit einstampften, um die FDP nicht zu verschrecken.

Wer zahlt?

Egal, ob das Sondierungspapier die Handschrift von FDP, Grünen oder sonstwem trägt – es ist kein Regierungsprogramm für die kleinen Leute. Es vernachlässigt Menschen mit geringem Einkommen und solche, die in prekären Verhältnissen beschäftigt sind. Die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro scheint zunächst ein großer Wurf zu sein. Aber nicht einmal die FDP kann vor der rasant steigenden Inflationsrate die Augen verschließen, die eine so deutliche Steigerung überfällig macht.

Generelle Steuerhöhungen und eine Wiedereinführung einer Vermögensabgabe haben die drei Partner bereits ausgeschlossen. Gleichzeitig möchten sie aber diszipliniert zur Schuldenbremse zurückkehren. Diese Entscheidung trifft die Schwächsten in der Gesellschaft am meisten. Es dürfte vorprogrammiert sein, wo das viele Geld dann herkommen soll: Der Rotstift wird vorrangig bei Sozialausgaben angesetzt. Die Einhaltung der Schuldenbremse blockiert außerdem wichtige Investitionen in elementare Bereiche der Infrastruktur. Die Straßen, Schulen und Krankenhäuser werden auch in den kommenden vier Jahren zunehmend verfallen, wenn es zu dieser Regierungskonstellation kommt.

Hartz-IV reloaded

Den Gipfel an Wählertäuschung erreicht das neue Regierungstrio allerdings bei einem anderen Herzensprojekt: dem Bürgergeld. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als ein umgetauftes Hartz-IV. Diese fragwürdige Umbenennung wird nichts ändern an Bevormundung, Gängelei und Perspektivlosigkeit. Stattdessen taugt der neue Name eher dazu, bereits vorhandene Fehlannahmen zu verfestigen. Ein Bürgergeld suggeriert, dass darauf jeder Bürger zu jeder Zeit Anspruch hat. Dieses bedingungslose Grundeinkommen light wirft auch in Zukunft ein falsches Bild auf seine Bezieher. Mehr als zuvor werden sie als faule Dauerarbeitslose gelten, die sich für jede Arbeit zu fein sind. An der gesellschaftlichen Spaltung ändert das nichts.

Viel Hoffnung steckten viele Wählerinnen und Wähler in diese neuartige Regierungskoalition. Weiterhin bleibt eine Mehrheit der Menschen im Land der Ampel wohlgesonnen. An den bislang gelieferten Inhalten kann das kaum liegen. Die Alternative wäre eine Jamaika-Koalition, aber die Union tut wirklich alles, um die Wählerinnen und Wähler in ihrer Entscheidung vom 26. September zu bestätigen. Nicht alles in Deutschland wird durch die Ampelkoalition schlechter. Wesentlich besser wird es nach vier Jahren Scholz aber nur den wenigsten gehen.

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Vorschau zur Elefantenrunde 2021

Lesedauer: 7 Minuten

Guten Abend, meine Damen und Herren. Selten war eine Wahl so spannend wie die des heutigen Abends. Gleich drei potentielle Kandidatinnen und Kandidaten konkurrierten um den Einzug ins Kanzleramt. Für mindestens eine der dreien dürfte der Traum von der Kanzlerschaft mit dem heutigen Abend allerdings ausgeträumt sein.
Wir möchten heute Abend sprechen mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der im nächsten Deutschen Bundestag vertretenen Parteien.
Frau Merkel, Sie sehen uns ein wenig verdutzt, dass Sie hier sitzen und nicht Ihr Spitzenkandidat Armin Laschet. Wie kam es dazu?

Merkel: Nun, zu allererst möchte ich betonen, dass wir uns als Union natürlich trotz der starken Verluste sehr darüber freuen, dass wir wieder stärkste Kraft wurden. Trotzdem kann uns dieses Ergebnis nicht zufrieden stimmen und in Angesicht dieser Tatsache bitte ich doch um Verständnis dafür, dass heute Abend nicht Herr Laschet hier sitzt, sondern ich.

Aber Sie nehmen zur Kenntnis, dass die Union das schlechteste Ergebnis in der Parteiengeschichte eingefahren hat?

Merkel:  In erster Linie sind CDU und CSU die Wahlsieger des heutigen Abends und darum haben wir erneut einen klaren Regierungsauftrag.

Herr Scholz, Ihre Partei konnte gut zulegen. Sehen Sie die Union auch als die Wahlsiegerin des heutigen Abends?

Scholz: Selbstverständlich sehe ich das nicht so. Die sozialdemokratische Partei belegt zwar nur Platz 2, aber ich bin gespannt darauf, wie Frau Merkel oder Herr Laschet oder wer auch immer unter diesen Voraussetzungen eine stabile Mehrheit zustandebekommen möchte.

Weidel: Vielleicht ja mit einer Großen Koalition, dafür haben Sie doch ein Faible, Herr Scholz.

Frau Weidel, Sie haben das Wort ergriffen, deswegen kommen wir ohne Umschweife zu Ihnen. Schmerzt Sie das Ergebnis des heutigen Abends eigentlich?

Weidel: Sicher müssen wir eingestehen, dass wir nach derzeitigem Stand Stimmen verloren haben. Man sollte aber auch nicht außer Acht lassen, dass die Briefwahl zu Manipulationen geradezu einlädt und gegen die Alternative für Deutschland eine regelrechte Hetzkampagne in diesem Land geführt wurde, besonders vonseiten der Medien.

Habeck: Ach, Frau Weidel, das war wieder vorprogrammiert, dass sie sich als die armen Opfer hinstellen.

Herr Habeck, auch an Sie die Frage: Warum sitzen heute Abend Sie hier und nicht Frau Baerbock?

Habeck: Annalena ist nach diesem wirklich nicht zufriedenstellenden Ergebnis zu dem Schluss gekommen, dass ich die Interessen der Bündnisgrünen in dieser Runde weitaus besser vertreten kann.

Weidel: Die Leute haben sich von Ihrer Verbotspolitik eben nicht beeindrucken lassen.

Herr Lindner, nach ersten Hochrechnungen konnten Sie viele Wähler von der AfD für sich gewinnen. Betrachten Sie das das als Pyrrhussieg?

Lindner: Auf keinen Fall, ich freue mich über jeden Wähler, der zur bürgerlichen Politik zurückkehrt.

Weidel: Mein Gott, ist das alles wieder dümmlich hier…

Lindner: Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass die Digitalisierung in diesem Land vorankommt. Mit Rot-Rot-Grün hätte es diesen Schub nicht gegeben. Unser starkes Abschneiden hat diesen Staatssozialismus Gott sei Dank verhindert.

Weidel: Staatssozialismus verhindert?! Entschuldigen Sie, Herr Lindner, aber Sie befürworten die Diskriminierung von Ungeimpften genau so wie alle anderen in dieser absurden Runde.

Herr Lindner, bevor Sie darauf eingehen, würden wir gerne Frau Hennig-Wellsow in die Runde holen. Frau Hennig-Wellsow, Rot-Rot-Grün wurde gerade angesprochen. Diese Mehrheit wird es wohl nicht geben. Wie gehen Sie damit um?

Hennig-Wellsow: Das kann ich Ihnen heute Abend noch nicht sagen. Fakt ist, dass wir an der nächsten Bundesregierung nicht beteiligt sein werden und sehr genau intern klären müssen, wie das heutige Ergebnis zustandekommen konnte.

Lag es vielleicht an den Agitationen gegen Ihre Parteigenossin Wagenknecht?

Hennig-Wellsow: Das kann ich mir nicht vorstellen, die gesamte Partei steht hinter Sahra Wagenknecht.

Erst vor kurzem gab es ein Parteiausschlussverfahren gegen die ehemalige Fraktionsvorsitzende.

Hennig-Wellsow: Das ist richtig, aber wie Sie sicher wissen, wurde Frau Wagenknecht nicht aus der Partei ausgeschlossen. Sie war auch fest in unseren Wahlkampf integriert.

Herr Dobrindt, auch Sie hatten mit Problemkindern in den eigenen Reihen zu kämpfen. Wie sehr ist Herr Scheuer für das schlechte Abschneiden Ihrer Partei verantwortlich?

Dobrindt: Das ist viel zu kurz gegriffen, Herr Scheuer hat als Verkehrsminister sehr gute Arbeit geleistet und die Untersuchungen zu anderen Fragen sind noch nicht abschließend geklärt. Mir ist auf jeden Fall sehr wichtig, dass Rot-Rot-Grün keine Mehrheit erhalten hat und der notwendige Klimaschutz nicht zulasten der Arbeitsplätze in diesem Land geht.

Hennig-Wellsow: Sicher, Herr Dobrindt, Sie haben Ihre Schäfchen aus den Chefetagen bereits in Sicherheit gebracht.

Frau Hennig-Wellsow hat es gerade angedeutet – Herr Habeck, wie gedenkt Ihre Partei gegen Lobbyismus vorzugehen? Immerhin könnten Sie an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein.

Habeck: Natürlich ist der Lobbyismus in diesem Land ein großes Problem, aber ich finde, wir reden schon wieder viel zu sehr am drängendsten Problem vorbei und das ist und bleibt der Klimawandel. Wir müssen alles dafür tun, dass wir spätestens 2035 klimaneutral sind.

Lindner: Aber Sie sind den Leuten bis heute eine Antwort schuldig geblieben, wie Sie das finanzieren wollen.

Krisenfinanzierung ist ein gutes Stichwort. Die Bürgerinnen und Bürger interessiert natürlich auch, wer die Kosten der Coronakrise zu tragen hat.

Habeck: Wenn ich das zum Klimaschutz gerade noch zu Ende führen darf. Diese Menschheitsaufgabe wird uns allen enorm viel abverlangen, keine Frage, aber…

Hennig-Wellsow: Sie lösen diese Aufgabe aber sicher nicht durch eine CO2-Bepreisung.

Herr Scholz, Klimakrise und Coronapandemie – wer zahlt am Ende die Zeche?

Scholz: Wir müssen jetzt erst einmal sicherstellen, dass wir nach der Krise keine neuen Schulden machen. Deswegen bin ich stark dafür, die Aussetzung der Schuldenbremse dringend zu überprüfen und…

Hennig-Wellsow: Die Ampel kommt.

Lindner: Nein, Frau Hennig-Wellsow, die wird mit Herrn Habeck sicher nicht kommen.

Hennig-Wellsow: Mit Ihnen kommt auf jeden Fall die soziale Kälte.

Lindner: Sie brauchen an mir jetzt nicht Ihre schlechte Laune über Ihr desaströses Wahlergebnis auszulassen.

Frau Hennig-Wellsow hat da aber einen wichtigen Punkt angeschnitten. Wie wollen Sie für soziale Gerechtigkeit sorgen? Frau Weidel?

Weidel: Naja, bevor wir uns hier in sozialistischen Umverteilungsfantasien verlieren, sollten wir erst einmal dafür sorgen, dass die Menschen in diesem Land gerecht behandelt werden. Wenn ich mir jetzt schon die systematische Diskriminierung von Ungeimpften ansehe…

Das war zunächst gar nicht die Frage, Frau Weidel. Wir wollten wissen, wie Sie für sozialen Ausgleich sorgen wollen.

Weidel: Wenn Sie mir jetzt schon wieder ständig ins Wort fallen, dann kann ich mir die ganze Sache hier auch sparen. Schönen Abend.

Frau Weidel hat unsere Runde verlassen, deswegen geht die Frage an Sie, Herr Scholz: Mindestlohn 12 Euro, ja oder nein?

Scholz: Wir sollten nicht so tun, als wären durch einen höheren Mindestlohn alle Probleme in diesem Land gelöst. Wir setzen uns für stärkere Tarifpartner ein, damit ein deutlich höherer Mindestlohn erreicht werden kann.

Hennig-Wellsow: Die Ampel wird kommen.

Habeck: Meine Güte, ich krieg‘ gleich schon wieder zu viel! Jetzt reden wir den ganzen Abend schon wieder nur über Koalitionen und persönliche Befindlichkeiten. Stattdessen müssen wir dringend endlich etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Es kann doch nicht sein, dass in diesem Land niemand…

Es kann tatsächlich nicht sein, dass in diesem Land niemand weiß, wie es mit unserer scheidenden Frau Bundeskanzlerin weitergeht. Frau Merkel, was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Merkel: Ach wissen Sie, es tut auch mal richtig gut, wenn man Dinge einfach auf sich zukommen lässt. Im Moment habe ich da noch keine so genau Vorstellung.

Damit sind wir am Ende unserer heutigen Runde. Wir verabschieden uns und wünschen Ihnen noch einen schönen Abend.

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