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Die neugegründete Partei „Bündnis Deutschland“ versteht sich als konservative Alternative zur CDU und wählbarere Konkurrenz für die AfD. Sie will politisch Heimatlose und Enttäuschte abholen und sie wieder in den demokratischen Diskurs einbinden. Im Dickicht des rechten Spektrums ist sie eine weitere neoliberale Gruppierung, die wie von selbst aus dem Boden zu sprießen scheinen. Und tatsächlich haben immer mehr Menschen in Deutschland das Gefühl, ihre Interessen würden politisch nicht abgebildet werden. Die Repräsentationslücke klafft jedoch nicht auf der rechten Seite des demokratischen Meinungskorridors. Immer deutlicher wird, dass echte linke Parteien mittlerweile Mangelware auf den Wahlzetteln sind.
Alternative zur Alternative
Seit dem 20. November 2022 ist die deutsche Parteienlandschaft um eine Partei reicher. Mit dem Bündnis Deutschland hat sich eine weitere Gruppierung formiert, die sich klar rechts der CDU verortet. Laut eigenen Angaben sehen die Gründerinnen und Grüner der Partei eine Repräsentationslücke im konservativen Spektrum, die von der AfD nicht gefüllt wird. Die neue Partei soll all jenen Wählerinnen und Wählern eine politische Heimat bieten, die sich eine klar konservative und wirtschaftsliberale Politik in Deutschland wünschen. Gesprächen mit anderen Parteien zeigt sich das Bündnis offen.
Die Neugründung ging groß durch die Medien. Die Mitglieder der ersten Stunde hatten ausgiebig Gelegenheit, der breiten Öffentlichkeit die Ziele ihrer Partei zu erläutern. Man wolle spätestens bei der Bürgerschaftswahl in Bremen im kommenden Frühjahr erste politische Erfolge erzielen. Trotzdem stellt sich unweigerlich die Frage, ob ein solch großes Presseecho angemessen war. Immerhin versuchten in den letzten Jahren mehrere Parteien, der AfD den Rang abzulaufen. Jedes dieser Projekte erlitt aber bösen Schiffbruch. Das Bündnis Deutschland hat bis zum heutigen Tage noch nicht einmal einen Wikipedia-Artikel.
Ähnlich wie die Blaue Partei von Frauke Petry und die Liberal-Konservativen Reformer von Bernd Lucke besteht die neue Partei zu einem beträchtlichen Teil aus ehemaligen Mitgliedern der AfD. Auch Überläufer der CDU suchen in dem Bündnis ein neues politisches Glück. Anders als die hoffnungslosen Versuche der ehemaligen AfD-Vorsitzenden besteht die Führungsriege von Bündnis Deutschland nicht aus AfD-Abtrünnigen. Damit enden die Unterschiede zu den rechten Splitterparteien der letzten Jahre auch schon. Auch dem Bündnis Deutschland wird eine programmatische Nähe zur FDP nachgesagt, besonders in Fragen der Wirtschaftspolitik. Es ist daher durchaus möglich, dass die Partei hier punkten kann, weil sich die Liberalen in der Ampelkoalition verheddert und sich gerade bei wirtschaftlichen Fragen kaum durchsetzen können.
Politisch verwahrlost
Die AfD kann viele dieser enttäuschten Wähler nicht mehr mobilisieren. Nach einigen Erfolgsjahren kurz nach der Gründung schrumpft die Partei besonders auf Länderebene immer mehr auf eine verlässliche Stammwählerschaft politisch Frustrierter zusammen. Sie sind schon lange keine Protestwähler mehr, sondern wählen aus gewohntem Frust die AfD. Eine große Zahl an Protestwählern der Jahre 2014 bis 2019 ist wieder dahin zurückgekehrt, wo sie herkamen: ins Nichtwählerlager.
Die AfD zeigte kurzzeitig das demokratische Potenzial dieser Wählerinnen und Wähler auf. Sie waren durchaus für eine politische Beteiligung zu begeistern, auch wenn mit der AfD natürlich kein Blumentopf zu gewinnen war. Das starke Abschneiden der Rechtspopulisten bei der Bundestagswahl 2017 war schockierend, hätte aber auch als Weckruf genutzt werden können. Stattdessen war es von Anfang an verpönt, Wählerinnen und Wähler von der AfD zurückzugewinnen. Mit diesen Menschen wollte man weder vor noch nach der Wahl etwas zu tun haben – und erst recht nicht mit ihren Sorgen und Ängsten.
Der Rechtsruck der Linken
Früher waren es linke Parteien, welche diese Menschen abgeholt haben. Lange vorbei sind aber die Zeiten, in denen sich die SPD für ihre Belange einsetzte. Gerhard Schröder, der Kanzler der Bosse, hat dann auch noch die letzten Wähler vertrieben, die nach einer echten linken Alternative gesucht hatten. Die Linke fing diese enttäuschten Wähler einige Jahre lang auf, bis sie damit begann, sich hauptsächlich mit sich selbst zu beschäftigen. Sehenden Auges ließ man die sorgengeplagten Menschen nach rechts abwandern. Dort wählen einige zuverlässig die AfD oder eine der anderen zahlreichen neurechten Parteien. Das Bündnis Deutschland beruft sich auf eine Repräsentationslücke im rechten Spektrum. In Wirklichkeit herrscht in dieser Ecke aber ein absurdes Überangebot.
Keine dieser rechten Parteien hat sich in den letzten Jahren nennenswert bewegt. Die AfD wurde mit einer offensichtlichen Tendenz zum Rechtsextremismus gegründet. Dieses bei der Parteigründung einkalkulierte Risiko hat die Partei zwischenzeitlich aufgefressen und gibt heute den Ton in der Partei an. Die anderen rechten Parteien wurden oftmals aufgrund der vielen Grenzüberschreitungen der erfolgreichen AfD gegründet oder weil sich die Partei immer mehr als Fundamentalopposition versteht.
Bewegung und Veränderung gab es hingegen im linken Spektrum. Die Grünen haben die meisten ihrer einstigen Grundsätze vollends über Bord geworfen und sind spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine glühende Kriegsverehrer. Die SPD ist durch die vielen Jahre in der Großen Koalition dauerhaft entstellt und die Linken hoffen insgeheim, den freigewordenen Platz der Grünen einzunehmen und würden dafür vielleicht sogar bereitwillig rechts der Sozialdemokraten platznehmen.
Frust ohne Protest
Eine aussichtsreiche traditionell linke Partei gibt es in Deutschland derzeit nicht. Eine Repräsentationslücke macht das aber noch nicht. Beobachtet man aber dann den Hype, der um eine mögliche Wagenknecht-Partei veranstaltet wird, sieht die Lage schon ganz anders aus. Ganz offensichtlich gibt es eine nicht zu unterschätzende Zahl an Menschen, die sich eine dezidiert linke Partei wünschen, die den Kurs der populären linken Politikerin folgt. Verlässliche Schätzungen gehen sogar von einem Wählerpotenzial von bis 30 Prozent aus, was fast dem Niveau einer Volkspartei entspricht. Wahrscheinlich würden nicht alle diese Menschen eine solche Partei tatsächlich wählen, aber sie alle würden die Gründung einer neuen linken Partei als Bereicherung in der Parteienlandschaft ansehen.
Aber egal, ob links oder rechts: Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung sieht sich im derzeitigen politischen Spektrum nicht abgebildet. Dass die derzeitigen Herausforderungen wie Energiekrise, Klimawandel und Krieg die Menschen vor enorme Probleme stellen, liegt auf der Hand. Sie haben allen Grund unzufrieden und empört zu sein. Ihr Protest ist dafür erschreckend leise. Es gibt keine ernstzunehmende politische Kraft, welche dieses Potenzial bündelt und zum Ausdruck bringt. Die groß angekündigten Sozialproteste des Heißen Herbst blieben bislang größtenteils aus. Weder AfD noch Linken gelang es, nennenswert viele Menschen auf die Straßen zu bringen.
Es ist nicht gut für eine Demokratie, wenn das Land so augenscheinlich gegen die Wand gefahren wird und die Mehrheit schweigt. Selbst wer die Maßnahmen der Bundesregierung feiert, muss zugeben, dass sie für einen großen Teil der Bevölkerung sehr einschneidend sind und unweigerlich zu Kritik führen müssen. Jeder, der noch recht bei Trost ist, muss sich in diesen Zeiten wundern, warum die Straßen ein paar verzogenen Gören gehören, aber nicht den abertausenden an Menschen, die Angst haben vor der nächsten Heizkostenabrechnung. Wenn diese Menschen der Demokratie nicht für immer verlorengehen sollen, muss eine neue Partei her. Und zwar schnell.
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