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Seit Ausbruch der Pandemie setzten viele ihre Hoffnung in einen geeigneten Impfstoff. Zwischenzeitlich sind mehrere Präparate zugelassen. Die Impfdosen reichen aber bei weitem nicht aus, um alle Menschen zu impfen. Darum erhalten zunächst die Risikogruppen das Privileg einer Impfung. Doch lange bevor die neuen Impfstoffe für die Allgemeinheit zugänglich sind, zettelt mancheiner Debatten an, die spalten statt einen. Dabei ist ein solidarisches Miteinander weiterhin das Gebot der Stunde.
SPD, oh weh, oh weh
Es ist der 14. Januar 2021 und Helge Lindh schreitet ans Rednerpult des Bundestags. Zur Debatte steht ein Antrag der AfD zur Rettung der deutschen Sprache. Der SPD-Mann zerlegt diesen Antrag auf eine besonders kreative Art und Weise: In Reimform nimmt er den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln. Der Rest des Bundestags ist erheitert und applaudiert. Die AfD schmollt. Was für eine tolle Rede, was für ein ehrenwerter Sozialdemokrat! Beinahe ist man geneigt, in den Applaus für die SPD miteinzustimmen, diese Partei dafür zu feiern, dass sie Rechtsaußen so mutig die Stirn bietet.
Und dann kommt Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und macht diese kurze Sympathie für die ehemalige Volkspartei sogleich zunichte. Ausgerechnet gegenüber der BILD-Zeitung äußert er einen derart populistischen und kurzsichtigen Vorschlag, dass sich die AfD davon am liebsten eine Scheibe abschneiden würde. Maas plädierte doch tatsächlich dafür, dass bereits geimpfte Personen in den Genuss von Lockerungen der Corona-Maßnahmen kommen sollten. Anscheinend sieht er das als besonderen Anreiz für eine Impfung. Die absolute Krönung des ganzen ist aber seine Begründung: Geimpfte Personen würden schließlich niemandem ein Beatmungsgerät wegnehmen.
Gute Menschen, schlechte Menschen
Das Undenkbare ist passiert: Ein selbsternannter Sozialdemokrat möchte die Bevölkerung aufteilen in gute und in schlechte Menschen. Die guten sind gut, weil sie ihrer obersten bürgerlichen Pflicht nachkommen und sich impfen lassen. Die anderen sind schlecht, weil sie Bedenken haben und anderen Menschen großkotzig Beatmungsgeräte wegnehmen. Man kennt es: Fast jeder Impfgegner hat zu Hause ein Beatmungsgerät stehen, das er regelmäßig vor Pflegeheimen und Krankenhäusern zur Schau stellt.
Dieses Problem dürfte nun aber obsolet sein. Maas‘ Ansprache dürfte dafür gesorgt haben, dass sich sämtliche Skeptiker eines besseren besonnen haben und nun zusätzlich die Impfzentren stürmen. Das Argument mit den Beatmungsgeräten wird eine Vielzahl von ihnen überzeugt haben. Sie fühlen sich dadurch in ihren Sorgen ganz bestimmt ernstgenommen.
Blankoscheck und Impfung
Doch mal im Ernst: Heiko Maas wird sich in Zukunft sicher hinter der Ausrede verstecken, er hätte ja gar nicht eine solche Debatte lostreten wollen. Dann ist sich der gute Mann der Reichweite seiner Worte als Politiker aber nicht bewusst. Mit seinem Plädoyer für Sonderrechte spaltet er die gebeutelte Gesellschaft zusätzlich, weil er damit all diejenigen, die dem Impfstoff skeptisch gegenüberstehen, in Misskredit bringt und jede seriöse Diskussion im Keim erstickt.
Obwohl die Wirksamkeit des Präparats weiterhin in Zweifel steht, will er allen Ernstes, dass Geimpfte ungeschützt auf den Rest der Bevölkerung losgelassen werden. Es ist doch noch überhaupt nicht geklärt, ob der Impfstoff auch vor einer Übertragung des Virus schützt. Es ist doch noch überhaupt nicht sicher, wie lange der Wirkstoff anhält. Und auch die Langzeitfolgen des Stoffs sind weiterhin nicht bekannt. Selbst die intensivsten Forschungen in den letzten neun Monaten liefern solche Erkenntnisse nicht.
In dieser unklaren Situation wagt es Herr Maas wirklich, mit der Verunsicherung der Menschen so fahrlässig zu spielen? Viele Skeptiker sind doch keine eingefleischten Impfgegner, die sich nur mit Aluhüten aus dem Haus trauen. Die Politik ist einfach nur nicht in der Lage dazu, den Menschen nachvollziehbar ihre Anti-Corona – Strategie zu erklären. Stattdessen schwingt sich Herr Maas zum Oberpopulisten auf und hängt sich unreflektiert an die Forderungen der Gastronomie dran. Natürlich möchten die Gastronomen wieder Einnahmen generieren, natürlich suchen sie nach einem Ausweg. Aber es ist doch wohl die verfehlte Corona-Politik, die sie Dinge wie Sonderrechte für Geimpfte fordern lässt. Anstatt dieses Armutszeugnis zur Kenntnis zu nehmen, schüttet unser Außenminister lieber fleißig Öl ins Feuer und raubt seiner Partei weitere zwei ihrer ohnehin rar gewordenen Prozentpunkte.
Impfzwang in Weiß
Aber nicht nur unser werter Herr Außenminister würde die Welt gerne in gute Menschen und in schlechte Menschen aufteilen. Auch deutsche Pflegekräfte werden dieser Tage massiv unter Druck gesetzt. Als hätten sie bei den Arbeitsbedingungen der Branche nicht schon genug Sorgen, wird ihnen nun eine Impfung mit den neuartigen Präparaten „nahegelegt“. Viele Pflegekräfte berichten davon, dass ihnen die Arbeitgeber andernfalls indirekt mit Kündigung drohen, einigen anderen wurde bereits gekündigt.
Von den Pflegekräften wird allen Ernstes erwartet, dass sie sich einen Stoff injizieren lassen, der noch nicht abschließend erprobt ist. Langzeitstudien fallen bei einer Forschungsdauer von neun Monaten flach und auch mit dem mRNA-Verfahren betreten die Virologen absolutes Neuland bei Impfungen. Es ist absolut unverantwortlich, dass hier eine Impfpflicht durch die Hintertür ermöglicht werden soll.
Allein das Signal ist fatal: So reden die Klinikleitungen den Pflegerinnen und Pflegern ein, eine Ablehnung des Impfangebots sei unvernünftig. Sie appellieren an ihr Verantwortungsgefühl, dass sie ohne Impfung ein Risiko für Patienten und Pflegebedürftige seien. Bitte was?! Das gesamte Jahr 2020 war mangelhafter Schutz bei Pflegepersonal überhaupt kein Thema. Schutzausrüstung war nicht in ausreichendem Maße verfügbar, teilweise mussten Pflegerinnen und Pfleger krank zur Arbeit kommen. Aber sobald die Maßnahme dem Personal obliegt, werden sie wie gewissenslose Virenschleudern behandelt, wenn sie Bedenken gegen den neuen Impfstoff anmelden. Und ich dachte, ein niedrigeres Niveau als der tatenlose Applaus im Frühjahr kann nicht erreicht werden…
FFP2 statt weniger Kontakte
Den absoluten Tiefpunkt in der Debatte um Corona-Prävention hat vor kurzem der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eingeläutet. Er verhing eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken. Zwischenzeitlich hat sich auch die Bundesregierung an diese Forderung drangehängt. Nun ist unbestritten, dass diese Masken einen besseren Schutz bieten als Einwegmasken und Stoffmasken. Dieser effektivere Schutz hat aber seinen Preis. So kostet ein Exemplar dieser Masken gerne an die 4 Euro. Da man diese Masken nur einige Stunden am Stück tragen soll, kann da schon einmal ein stattliches Sümmchen zusammenkommen. Um gerade die Sozialschwachen zu entlasten, übernehmen die Krankenkassen einen Großteil der Kosten. Lediglich 2 Euro haben Menschen beizusteuern, deren Geld bereits unter normalen Umständen hinten und vorne nicht reicht. Sollten sie die Masken von Berufs wegen mehrere Stunden täglich tragen müssen, verpufft ein Teil dieser generösen Geste sogleich wieder.
Es ist bezeichnend, dass in die Verschärfung der Maskenpflicht so viel Ressourcen und Energie gesteckt wird. Die FFP2-Masken bieten nämlich auch dann einen besseren Schutz, wenn das Abstandsgebot nicht eingehalten werden kann. In Bussen und Bahnen ist das häufig der Fall. Anstatt dafür zu sorgen, dass die Menschen auch an diesen Orten Abstand zueinander halten können, wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Mit der Adhoc-Lösung der FFP2-Masken soll verschleiert werden, dass man die Pandemiepause im Sommer nicht dazu genutzt hat, sich gegen eine zweite Welle des Virus zu wappnen.
Das drängendste Problem ist derzeit doch nicht, dass zu wenig Masken verfügbar sind, welcher Art auch immer, sondern dass es noch viel zu viele Kontakte zwischen den Menschen gibt. Eine verschärfte Maskenpflicht ist da eine sinnvolle Behelfslösung, aber sie kann doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Solange Kontakte nicht zielgenauer eingeschränkt werden, ändern auch die vielgelobten FFP2-Masken wenig am Infektionsgeschehen. Die Zahlen mögen dieser Tage sinken, aber 17.000 Neuinfektionen sind eben auch kein Grund, sich auf die Schulter zu klopfen. Sie sind eher Zeichen dafür, dass vieles verschlafen wurde und Debatten um Impfpflicht und FFP2 eigentlich am Thema vorbeigehen.