Die Fehltritte des Jens S.

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Mit Schmackes ins Fettnäpfchen, mit Voll-Karacho in den Skandal: Selten war ein Mitglied der Bundesregierung so skandalumwoben wie der amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn. Eine flapsige Bemerkung zu Hartz-IV hier, ein korruptes Spendendinner dort. Auch in den letzten Wochen hat der CDU-Politiker durch eine dubiose Verteilungspraktik von Masken von sich reden gemacht. Immer klarer zeichnet sich das Bild eines machtgierigen und überheblichen Politikers.

Die neuesten Vorwürfe gegen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wiegen schwer: Er soll geplant haben, minderwertig verarbeitete FFP2-Masken an Obdachlose, Behinderte und Hartz-IV – Empfänger zu verteilen. Sollte das tatsächlich der Fall sein, so wäre das ein Skandal erster Güteklasse. Auf Biegen und Brechen will sich der Minister aus der Affäre ziehen – es habe nie mangelhafte Masken gegeben.

Eine Skandalnudel auf dem Weg nach oben

Es ist nicht das erste Mal, dass dem CDU-Politiker das Wasser bis zum Hals steht. Seit seinem Amtsantritt als Gesundheitsminister im Frühjahr 2018 reihte sich bei dem ambitionierten Frühvierziger ein Fehltritt an den nächsten. Wer könnte Spahns legendäre Behauptung vergessen, von Hartz-IV könne man leben? Fast direkt nach seiner Berufung in Angela Merkels viertes Kabinett machte er damit von sich reden. Er trat damals eine Debatte los, die als Gesundheitspolitiker überhaupt nicht in sein Ressort fiel. Trotzdem ließ er sich medienwirksam von der Sozialhilfeempfängerin Sandra S. einladen, die ihm zeigte, was ein Leben mit Hartz-IV bedeutet.

Es ist noch gar nicht lange her, da stand Jens Spahn auch wegen dubioser Parteispendepraktiken in der Kritik. Zuvor hatte er eine Reihe anonymer Unternehmer zu einem exklusiven Gala-Dinner geladen – und seine Gäste dann dazu aufgerufen, möglichst viel Geld an seine Partei zu spenden. Er legte den spendablen Lobbyisten auch einen ganz konkreten Betrag nahe, um nicht ins Visier der Bundestagsverwaltung zu geraten.

Auf der langen Liste von Spahns Verfehlungen darf natürlich auch seine Verwicklung in undurchsichtige Immobiliengeschäfte nicht fehlen. So hatte der Minister eine Villa von genau dem Mann gekauft, den er danach an die Spitze eines teilweise bundeseigenen Pharmakonzerns setzte.

Die Krise als Chance?

Dann kam die Corona-Pandemie und viele glaubten vielleicht zunächst, nun habe die Stunde dieses skandalträchtigen Ministers geschlagen. Doch auch bei dieser Bewährungsprobe glänzte Spahn vor allem durch Schlampereien, Versäumnisse und Missmanagement. Natürlich waren alle Menschen im Land Anfang 2020 mit einer völlig neuen Situation konfrontiert. Selbstverständlich fordern solche neuen Umstände Fehler geradezu heraus. Doch der Gesundheitsminister zeigte sich bislang völlig resistent gegen jedweden Lerneffekt. Eine Teststrategie ließ lange auf sich warten, die Impfkampagne kleckert weiter vor sich hin. Um das aufgebrachte Volk zu beruhigen, kippte Spahn kürzlich die Priorisierung bei den Impfungen, obwohl noch nicht alle Risikopatienten geimpft sind. Und um das ganze noch zu toppen, setzte er trotz anhaltenden Impfstoffmangels mit der Impfkampagne für Kinder noch eins drauf.

Mit dieser großzügigen Erweiterung der Impfkampagne versuchte Jens Spahn offenbar, sich bei der Bevölkerung wieder liebkindzumachen. Besonders seine lobbyistischen Fehltritte der jüngeren Vergangenheit täuschen aber nicht darüber hinweg, dass es sich bei diesem Mann um einen arroganten und machtgierigen Politiker handelt, dem die Bedürfnisse des gemeinen Bürgers am Allerwertesten vorbeigehen. Geradezu entlarvend war da das Spendendinner, welches es unbeabsichtigt in die Schlagzeilen geschafft hat.

Corona-Party à la Spahn

Diese Zusammenkunft mit allerlei Lobbyisten war gleich aus mehreren Gründen verwerflich. Erstens wäre eine solche Veranstaltung tabu gewesen, hätte sich der Minister an die Verordnungen gehalten, die er selbst erlassen hatte. Es grenzt an kosmische Ironie, dass Spahn kurze Zeit darauf positiv auf das Coronavirus getestet wurde.

Fast noch heftiger ist aber der Anlass, weswegen sich Spahn mit den Unternehmensvertretern getroffen hat. So schwor er seine Gäste darauf ein, einen Betrag an seine Partei zu spenden, welcher gerade so am maximal tolerierten Betrag für Parteispenden kratzte. Mit der symbolischen Summe von 9.999 Euro ließ Jens Spahn seine Maske endgültig fallen. Der Aufruf zu diesen knapp legalen Spenden brachte seine Missachtung der Regelungen für Parteispenden besonders explizit zum Ausdruck. Mit der Gerade-so – Unterschreitung des zulässigen Höchstbetrags führte er diese äußerst sinnvolle Maßgabe ad absurdum und zog den Kampf gegen ausufernden Lobbyismus damit ins Lächerliche.

Die Maske fällt

Es reicht eine durchschnittliche Menschenkenntnis aus, um zu erahnen, welche Interessen der Minister dabei im Blick hatte. Nun könnte man ihm noch zugutehalten, dass ein Ignorieren bestimmter Bedürfnisse noch lange nicht gleichzusetzen ist mit einer generellen Verachtung für einen erheblichen Teil der Bevölkerung. Doch auch mit diesen Zweifeln räumte Jens Spahn schnell auf.

Seine Verachtung gegenüber den einkommensschwächeren und hilfsbedürftigen Bürgerinnen und Bürgern hätte der Gesundheitsminister kaum deutlicher machen können als durch die Verteilung von minderwertigen FFP2-Masken an Wohnungslose, Pflegebedürftige und Sozialhilfeempfänger.  Noch offensichtlicher als in der Hartz-IV – Affäre drei Jahre zuvor trieb Jens Spahn seine Einteilung in gute und in schlechte Menschen mit seinem fragwürdigen Masken-Management auf die Spitze.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten für Kritik

Verständlicherweise ist der Koalitionspartner SPD über ein solches Verhalten empört. Spahns Fehltritte nehmen allmählich tatsächlich staatsschädigende Ausmaße an. Er bringt damit nicht nur den Namen seiner eigenen Partei in Verruf, sondern auch den der gesamten Bundesregierung und möglicherweise sogar das Ansehen der Politik insgesamt. Die erneute Maskenaffäre bedarf einer schonungslosen Aufklärung, sonst wird das nichts mehr mit der Glaubwürdigkeit.

Genau damit ist es bei der SPD aber schon lange nicht mehr weit her. Es mag vereinzelte Köpfe geben, bei denen die Entrüstung über Spahns Skandale authentisch ist. Es ist aber schon fraglich, warum die SPD bei früheren Verfehlungen des Ministers nicht so laute Töne von sich gegeben hat. Natürlich sorgten auch Spahns Äußerungen zu Hartz-IV und sein ominöses Spendendinner für Irritationen, aber in diesen Fällen fiel die Kritik deutlich leiser aus.

Wiederholungstäter

Durch die frisch aufgelegte Maskenaffäre versucht die SPD nun, sich ziemlich billig zu profilieren. Erneut versuchen sich die Sozen aus einer beinahe überheblichen Haltung als bessere Menschen darzustellen. Wenige nehmen ihnen das ab. Immerhin hinterfragt die SPD noch immer viel zu zaghaft, wie es zu solchen Verstrickungen kommen kann. Was wir mit Jens Spahn nun wieder erlebt haben, sind doch keine Verfehlungen von Einzelpersonen. Den Maskendeals und Spendenaufrufen liegt ein dreckiges System aus Lobbyismus und Korruption zugrunde, von dem sich auch die SPD nicht völlig reinwaschen kann, würde sie sich ehrlichmachen.

Anstatt immer nur dann aufzuheulen, wenn der Koalitionspartner mal wieder Mist verzapft hat, wäre eine SPD gefragt, die sich auch in anderen Punkten deutlich von der Union abhebt. Der Verweis auf eine angeblich weiße Weste reicht nicht aus, um die Wählerinnen und Wähler von sich zu überzeugen. Doch wie bereits vor vier Jahren betätigt sich die SPD auch im Wahlkampf 2021 als Wiederholungstäter. Schon 2017 nahm der einstigen Volkspartei niemand das Gebaren gegen den alten und neuen Koalitionspartner ab.

Damals begrüßte die SPD das Wahlverhalten des ehemaligen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt bei der Abstimmung über den Umweltkiller Glyphosat außerordentlich. Durch sein Ja bei der Zulassungsverlängerung des Ackergifts verstieß der CSU-Mann eindeutig gegen gute politische Sitten und lieferte der SPD so Munition gegen die damals schon am Boden liegende Große Koalition.

Alles auf neu

Mit der Hoffnung auf dadurch entstehende Stimmengewinne hatte sich die SPD damals genau so verrechnet wie wenige Monate zuvor, als sie sich mit der Opposition zusammentat und dem Koalitionspartner in Sachen Ehe für Alle in den Rücken fiel. Das Ziel mag edel gewesen sein, die Mittel verhalfen der SPD aber trotzdem nicht zum Wahlsieg. Stattdessen stürzte die SPD bei der folgenden Bundestagswahl weiter kräftig ab.

Die SPD, das einstige Bollwerk gegen Korruption und Bestechung, die Verfechterin von Arbeitnehmerrechten und Sprachrohr der Gewerkschaften muss sich endgültig aus der tödlichen Symbiose mit der Union lösen. Viele Chancen hat sie bereits verstreichen lassen. Die anstehende Bundestagswahl im September ist eine weitere Möglichkeit für die Partei, zu ihrer alten Stärke zurückzufinden. Eine Regierungsbeteiligung nach der Wahl ist eher unwahrscheinlich, auch wenn die SPD mit der Aufstellung eines Kanzlerkandidaten durchaus andere Akzente gesetzt hat. Die Sozialdemokraten sollten das Votum aus der Bevölkerung bei nächster Gelegenheit endlich ernstnehmen und sich bereitwillig in die Opposition verbannen lassen. Schaufensterdebatten gegen korrupte Minister werden der SPD eher schaden, solange sie in dieser ewigen Regierung gefangen ist. Manchmal hilft nur ein Neustart.

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