Ohne Ausgleich

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Nach zähen Verhandlungen hat sich die Regierungskoalition vergangene Woche nicht nur auf eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds geeinigt. Auch eine Reform des Wahlrechts nimmt die Regierung nun endlich in Angriff. Der Kompromiss von Union und SPD ist allerdings mehr als enttäuschend. Herausgekommen ist eine Lösung, die vor allem die CSU pusht, während die Opposition in die Röhre schaut. Der Ausblick auf eine umfassendere Reform bis 2025 klingt daneben wie ein schlechter Witz.

Das verflixte siebte Jahr

Paukenschlag. Mit dem kürzlich beschlossenen ersten Schritt zu einer Wahlrechtsreform hat die Bundesregierung nun endlich ein Projekt praktisch in Angriff genommen, das bereits seit 2013 theoretisch auf dem Tisch liegt: eine Reform des Wahlrechts. Die ganz Schlauen werden bemerkt haben, dass das exakt die Zeit ist, seit der die GroKo am Drücker ist. Sieben Jahre lang passierte aber so gut wie nichts. Doch selbst die Große Koalition muss nun einsehen, dass 709 Abgeordnete im Bundestag jeglichen Rahmen sprengen und es den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu erklären ist, warum der nächste Bundestag im Zweifelsfall mehr als 800 Abgeordnete beherbergen sollte.

Aus der letzten Wahlperiode hat die Opposition wohl gelernt, dass von der Regierung bei diesem Thema ganz bestimmt kein großer Wurf zu erwarten ist. Deswegen setzten es drei der vier Oppositionsfraktionen in der laufenden Legislaturperiode immer wieder auf die Tagesordnung. Und weil die Opposition nun einmal Opposition ist, werden ihre Vorschläge von der Regierung natürlich abgelehnt.

Doch weil man vor einer Horde von mehr als 700 Abgeordneten nicht mehr die Augen verschließen konnte, stand die Regierung zuletzt unter dringendem Zugzwang. Nachdem es gerade der Unionfraktion gelungen war, das Thema sieben Jahre lang zu verschleppen, kommt die Einigung nun sogar noch später als auf den sprichwörtlich letzten Drücker. Denn bereits im Frühjahr wies die Opposition darauf hin, dass eine Entscheidung allerspätestens bis zur parlamentarischen Sommerpause 2020 vorliegen müsste. Andernfalls wäre eine deutliche Verkleinerung des Parlaments ausgeschlossen. Und genau so wird es jetzt auch kommen. Der von der Regierung beschlossene erste Schritt ist bestenfalls dazu geeignet, eine Vergrößerung des Bundestags bedingt zu verhindern. Deutlich kleiner wird er durch diesen Tippelschritt aber nicht.

Verweigerung mit Ankündigung

Der Kompromiss der Regierungskoalition sieht vor, dass eine bestimmte Anzahl von Überhangmandaten nicht mehr ausgeglichen wird. Diese Entscheidung nimmt also nur Einfluss auf die Stimmauszählung im September 2021, nicht aber auf die generelle Richtgröße des Bundestags. Sie ist also bloße Symptombekämpfung und wenig nachhaltig. Erst im zweiten Schritt zur Bundestagswahl 2025 soll ein Konzept folgen, das die Anzahl an Abgeordneten wieder auf ein erträgliches Maß senken soll. Die Bundesregierung hat also erneut vier Jahre lang Zeit, das Problem zu verschleppen und am Ende wieder nicht zu lösen. Vielleicht werden dann bei der Wahl 2025 noch mehr Überhangmandate nicht ausgeglichen.

Der Koalitionsausschuss beriet in der gleichen Sitzung übrigens auch über die Verlängerung einiger Corona-bedingten Maßnahmen. Das prominenteste Ergebnis ist bestimmt die Verlängerung des Kurzarbeitergelds. Gerade weil mit Union und SPD zwei im Prinzip grundverschiedene Fraktionen in der Regierung sitzen, waren zähe Verhandlungen vorprogrammiert. Es ist allerdings schon ziemlich bedenklich, dass die Parteien diese Diskussion schneller abgefrühstückt haben als die Wahlrechtsreform. An diesem Punkt saßen sie in der Sitzung nämlich wesentlich länger.

Die Koalition muss über ein an und für sich so untergeordnetes Thema also länger diskutieren als über einschneidende arbeits- und wirtschaftspolitische Maßnahmen. Denn die Wahlrechtsreform ist doch nur deshalb so dringend, weil sie seit Jahren verschleppt wurde. Selbst FDP, Linke und Grüne sind einvernehmlich – und vor allem schneller – zu einem Kompromiss gekommen. Ganz offensichtlich ist selbst diese unübliche Konstellation inzwischen handlungsfähiger als die Bundesregierung.

Ungleiche Wahl

Aber natürlich ist das Thema Wahlrechtsreform für den gemeinen Parlamentarier existenzbedrohender als die Weiterzahlung von Kurzarbeitergeld. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Entscheidungsträger von Kurzarbeitergeld abhängig sein wird, ist verschwindend gering. Die nächste Bundestagswahl aber kommt bestimmt. Und da will man natürlich das beste für sich rausholen. Alles eine Frage der Motivation.

Geht es nach der Bundesregierung, sollen bei der kommenden Wahl im nächsten Jahr drei Überhangmandate nicht mehr durch Ausgleichsmandate kompensiert werden. Die Nachteile dieser Überlegung liegen auf der Hand. Vor allem die Unionsfraktion profitiert von der großen Anzahl an Überhangmandaten. Würden diese nicht mehr ausgeglichen werden, stünde diese Fraktion besser da als die übrigen Fraktionen. Das ist mit dem Gleichheitsprinzip der Wahl nicht vereinbar. Denn zwangläufig würden Stimmen für die jetzige Opposition dadurch entwertet werden. Wer für AfD, FDP, Linke oder Grüne stimmte, der hätte bei der Wahl 2021 weniger Einfluss als solche Wähler, die CDU, CSU oder SPD wählten.

Gegen den Wählerwillen

Die Zahl 3 klingt dabei harmloser als sie letztendlich ist. Denn drei nicht auszugleichende Überhangmandate heißen nicht automatisch, dass es nur drei Sitze weniger gibt. Ein einzelnes Überhangmandat kann zu mehreren Ausgleichsmandaten führen. Es ist also zu erwarten, dass bei dem jetzt vorgeschlagenen Konzept alle Oppositionsfraktionen den schwarzen Peter ziehen werden. Denn eine Kappung der Ausgleichsmandate verzerrt das Zweitstimmenergebnis immer.

Das könnte weitreichende Folgen für die kommende Wahl haben, aber auch für die Demokratie an sich. Wer mit der jetzigen Regierung nicht einverstanden ist, der wählt natürlich Opposition. Aber warum sollte er das tun, wenn seine Stimme im Zweifel weniger wiegt als eine Stimme für das Weiter so? Die jetzt getroffene Lösung geht an dem bestehenden Problem also blindlinks vorbei und schafft zudem ein weiteres: Sie ist ein Anreiz zum Nichtwählen.

Denn ein Wechsel auf der Regierungsbank wird durch den Kompromiss von Union und SPD unwahrscheinlicher. Die gefühlt ewig regierende Union würde so noch weiter künstlich an der Macht gehalten werden. Mit einer repräsentativen Demokratie hat das dann nur noch wenig zu tun. Der Volkswille würde nämlich nicht mehr 1:1 abgebildet werden. Es gäbe mehr Direktmandate als Listenmandate. Bisher wird jedes direkte Überhangmandat mit einem Ausgleichsmandat von den Landeslisten aufgewogen. Mit der neuen Regelung wäre das nicht mehr so.

Wider die Verfassung

Auch hier sorgt die Union allerdings für einen Klopfer. Überschüssige Direktmandate sollen künftig mit Listenmandaten der gleichen Fraktion aus anderen Bundesländern verrechnet werden. Selbst innerhalb der Unionsfraktion ist die CSU also klar im Vorteil. Denn gerade diese bayrische Provinzpartei erzielt traditionell die meisten Überhangmandate. Jetzt kann sie der Schwesterpartei ungehindert Listenmandate aus anderen Bundesländern absaugen. Das führt nicht nur zu einer ungerechten Bevorteilung der CSU, sondern zu einer noch tiefergreifenden Benachteiligung aller Listenmandate insgesamt.

Der Vorschlag von Union und SPD zeigt außerdem deutlich, dass die Parteien überhaupt nicht verstanden haben, wo das Problem liegt. Okay, der Bundestag schwillt seit Jahren immer weiter an. Das liegt hauptsächlich an den außer Kontrolle geratenden Überhangmandaten. Anstatt dann den Ausgleichsmandaten an den Kragen zu gehen, sollte man sich zu allererst fragen, woher diese Flut an Überhangmandaten überhaupt kommt. Aus Bayern, könnte man jetzt flapsig sagen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Überhangmandate entstehen immer dann, wenn eine Partei mehr Direktmandate erzielt als ihr laut Zweitstimmenergebnis zusteht. Warum war das früher kein Problem?

In den Nachkriegsjahrzehnten saßen sehr lange nur drei Fraktionen im Bundestag: die Union, die SPD und die FDP. Andere Parteien hatten selten eine Aussicht darauf, ins Parlament gewählt zu werden. Auch aus diesem Grund haben die Wählerinnen und Wähler seltener für sie gestimmt. Dann kamen die Grünen als vierte Kraft mit Turnschuhen in den Bundestag gelatscht. Nach dem Mauerfall gesellte sich die PDS dazu und seit einigen Jahren erweitert die AfD das Parteienspektrum im Bundestag. Die Wählerinnen und Wähler haben also eine größere Auswahl an Parteien, die den Einzug wahrscheinlich schaffen werden. Umso größer ist auch die Bereitschaft, Erst- und Zweitstimme unterschiedlich zu vergeben. Auf diese Weise kann das Erststimmenergebnis erheblich vom Ergebnis der Zweitstimmen abweichen. Überhangmandate entstehen.

Letztendlich gibt es nur eine Möglichkeit, diese Überhangmandate demokratisch in Grenzen zu halten: durch eine Neuzuschneidung der Wahlkreise. Die Zahl der Wahlkreise muss deutlich verringert werden. Damit sinkt auch die Richtgröße des Bundestags. Überhangmandate entstehen trotzdem, aber nicht mehr in so großer Zahl, schließlich gibt es ja weniger Wahlkreise. Außerdem kann der Anspruch an eine Wahlrechtsreform nicht sein, möglichst viele Überhangmandate zu verhindern. Die Entscheidung, Erst- und Zweitstimme unterschiedlich zu vergeben, ist ein Ausdruck lebendiger Demokratie und des freien Wählerwillens. Der aktuellste Vorstoß beschneidet den Einfluss der Wählerinnen und Wähler allerdings. Er ist nicht gerecht; er ist nicht demokratisch. Er ist verfassungswidrig.

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Auf ewig Opposition?

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Seit die SPD großspurig ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz ins Rennen geschickt hat, scheint eine Option zumindest wieder denkbar: Rot-Rot-Grün. Doch nicht nur eine fehlende Mehrheit macht es vielen schwer, sich diese Konstellation ernsthaft vorzustellen. Viele Menschen zweifeln zudem an der Regierungsfähigkeit der darin wenig erprobten Linken. Ihre Bedenken stützen sich dabei immer wieder auf kurzsichtige Vorverurteilungen. Doch diese Partei hat noch andere Probleme, die es vor einer eventuellen Regierungsübernahme zu regeln gilt.

Chronisch regierungsunfähig?

Die wollen aus der NATO raus. Die wollen mit Putin kuscheln. Sie hassen die USA. Die schwimmen im beiseitegeschafften DDR-Vermögen. Wer soll das bezahlen? Diese Argumente und noch einige mehr werden regelmäßig ins Feld geführt, wenn man den Linken die Regierungsfähigkeit absprechen will. Viele dieser angeblichen Gründe sind wenig stichhaltig, manche sogar widerlegbar, andere stimmen hingegen. Die Auflösung der NATO zum Beispiel. In den Augen der Linken ist dieses Bündnis seit langem obsolet. In Zeiten des Kalten Kriegs gegründet, sollte es die westliche Welt vor der feindlichen Sowjetmacht schützen. Nun gibt es Stalin, die Mauer und die UdSSR heute nicht mehr. Die Idee der Linken, die NATO durch ein Bündnis zu ersetzen, das nicht auf Konfrontation gebürstet ist, sondern Dialog und Zusammenarbeit vorsieht, ist in dieser Hinsicht bestimmt nicht falsch. Dass das mit Russland ein hartes Stück Arbeit ist – keine Frage.

Unkonventionelle und unbequeme Forderungen machen eine Partei eben nicht automatisch regierungsunfähig. Allein der allgemeine Mythos, die Linkspartei sei partout nicht dazu in der Lage, konstruktive Regierungsarbeit zu leisten, ist von der Realität längst eingeholt. Die ausgesprochen erfolgreiche Regierungsbeteiligung in mehreren Bundesländern ist Zeugnis genug. In Thüringen stellt die Partei links der SPD seit 2014 sogar den Ministerpräsidenten. Nach fünf Jahren Ramelow konnte die Linke in Thüringen sogar noch zulegen und selbst die CDU vom Thron der stärksten politischen Kraft im Freistaat stoßen. Wenn das nicht Ausdruck von Beliebtheit und Regierungsfähigkeit ist, was dann?

Das reichste Prozent

Trotzdem kann keiner ernsthaft bestreiten, dass die Linke immer wieder mit der Vision einer Regierungsbeteiligung hadert. Und dieses Problem ist nicht vorrangig mit dem Programm der Partei zu begründen. Viel eher ist es ein personelles Problem. Genau so wie Ramelow die Regierungsfähigkeit seiner Fraktion in Thüringen verkörpert, so gibt es auf Bundesebene Vertreter, die ebendieser Fähigkeit zum Regieren diametral entgegenstehen. Das fängt schon bei der Parteispitze an. Bernd Riexinger ist nicht eingeschritten, als eine Parteikollegin davon sprach, das reichste Prozent der Bevölkerung zu erschießen. Erst auf Nachfrage witzelte er, man wollte diese Menschen lediglich zu Arbeit verpflichten. Ob man daraus schließen kann, dass er sie im Arbeitslager internieren will, sei mal dahingestellt. Fakt ist allerdings, dass diesem Mann das Gespür dafür fehlt, welche Äußerungen wann angebracht sind und welche politische Tragweite sie entwickeln können. Anstatt sich im Bundestag persönlich klipp und klar von solchem Gedankengut zu distanzieren, schickte er seine Co-Vorsitzende Kipping ins Feld, die ihn als mustergültigen Demokraten über den grünen Klee lobte.

Riexinger selbst saß währenddessen wie ein getadelter Schuljunge zwischen seinen Fraktionskollegen und wünschte sich wohl nichts sehnlicher, als unter der Fraktionsbank zu verschwinden. Als Parteivorsitzender ist er scheinbar völlig ungeeignet und wird seine Partei wohl niemals in eine Regierung führen können. Anlass dazu, seine demokratische Grundüberzeugung anzuzweifeln, gibt es wohl eher nicht. Das sieht bei einigen seiner Genossen allerdings anders aus.

So hielt seine Kollegin Gesine Lötzsch im Jahr 2011 die Eröffnungsrede bei einer Veranstaltung, die offen nach den Wegen zum Kommunismus fragte. Auch im Vorfeld war die damalige Parteichefin wegen umstrittener Äußerungen zu ebendiesem Thema bereits aufgefallen. Sie beteuerte bei der Rede allerdings ihre unbedingte Treue zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das kann man bei einer Kommunismus-Veranstaltung natürlich gerne tun. Ob man das dann glaubt, ist eine andere Frage.

Natürlich darf geschossen werden

Noch schlimmer trieb es allerdings die ebenfalls noch heute im Bundestag sitzende Ulla Jelpke. Bei genau der gleichen Veranstaltung moderierte sie eine Podiumsdiskussion, wie der Kommunismus denn am besten realisiert werden könnte. Sie diskutierte dort allen Ernstes mit prominenten Linksradikalen wie der verurteilten RAF-Terroristin Inge Viett. Diese Frau hat sich von den Entführungen, den Morden und den Anschlägen der Vereinigung nie distanziert. Auch bei besagter Diskussion rechtfertigte sie den Einsatz von Gewalt und Brandanschlägen, um die heiligen Ziele zu erreichen. Diese Einstellung deckt sich natürlich mit den Taten, die diese Frau zu ihren besten Zeiten begangen hat. Um einer Festnahme zu entgehen, schoss sie seinerzeit auf einen Polizisten, der Jahre später an den Folgen der Tat starb. Viett wurde für die Äußerungen auf der Kommunismus-Veranstaltung übrigens rechtskräftig verurteilt.

Wie weit darf die Linke gehen?
Bernd Kudanek alias bjk on Indymedia, IngeViettUllaJelpkeCC BY-SA 2.0 DE

Ulla Jelpke schien das herzlich wenig zu stören. Sie griff während der Gewaltverherrlichungen der Terroristin ebenso wenig ein, wie Riexinger bei den Eliminierungsfantasien in diesem Jahr. Stattdessen ließ sich Jelpke mit der linksradikalen Viett unter der Fahne der Linkspartei bei einer Demonstration fotografieren. Solange eine Partei solche Personen in ihren Reihen duldet und dafür auch noch die Parteifahne zur Verfügung stellt, sollte sie wirklich keine Regierungsverantwortung übernehmen.

Ein Unrechtsstaat?

Dass die Linke auch anders kann, stellte sie bereits mehrfach unter Beweis. Seit 2006 stellt sie mit Petra Pau eine Vizepräsidentin des Bundestags, die nun wirklich nicht unter Extremismusverdacht steht. Lange Zeit wurde die Bundestagsfraktion von einer Frau mitgeleitet, die noch vor einigen Jahren als untragbare Verfechterin der DDR und des Kommunismus verschrien war. Heute ist Sahra Wagenknecht glatt zur Vorzeigepolitikerin der Linken aufgestiegen. Gegner nehmen sie inzwischen nicht mehr als versponnene DDR-Nostalgikerin wahr, sondern immer mehr als ernstzunehmende Stimme aus der Opposition. Sie setzen sich mit ihr verstärkt inhaltlich auseinander, ohne ihr die Berechtigung abzusprechen, Politikerin zu sein.

Das wohl bekannteste Argument, warum die Linkspartei so abgöttisch regierungsfähig sei, ist mit Sicherheit der Umgang der Partei mit der DDR-Vergangenheit. So weigert sich ein Großteil der Partei bis heute, die DDR als Unrechtsstaat anzuerkennen. In den Augen vieler Parteimitglieder kann die DDR schon deshalb kein Unrechtsstaat gewesen sein, weil bereits das Dritte Reich mit diesem Begriff belegt ist. Kunststück. Aber folgt man dieser Ideologie, so sind die Begriffe „Unrechtsstaat“ und „Nazi-Deutschland“ untrennbar miteinander verwoben. Für viele Linke sind es Synonyme. Vor einer Wahrheit verschließen sie dabei jedoch die Augen: Es gibt schier unendlich viele Wege, Recht zu brechen und Unrecht zu verbreiten. Es gibt aber nur eine Möglichkeit, sich an Recht zu halten.

(K)ein legitimer Versuch

Selbstverständlich war die DDR ein Unrechtsstaat. Dieser Staat fußte darauf, einer beträchtlichen Zahl seiner Bürgerinnen und Bürger elementare Rechte abzuerkennen. Mit Stasi, Spitzeleien und allgegenwärtigem Druck sollte das Volk unter Kontrolle gehalten werden. Natürlich ist das Unrecht. Das heißt aber nicht, dass die DDR eine Unrechtsgesellschaft war, genau so wenig wie das Dritte Reich. Die meisten Menschen arrangierten sich lediglich mit den Zuständen, weil sie zu viel zu verlieren hatten. Ihnen im Nachhinein einzureden, ihre Leben wären Unrecht gewesen oder waren vergeudet, halte ich für grundfalsch. Vielleicht sträubt sich die Linke auch deshalb gegen den Begriff des Unrechtsstaats.

Aber selbst die meisten Linken sehen ein, dass die DDR natürlich kein Rechtsstaat war. Bis auf wenige Ausnahmen: Die damalige linke Spitzenkandidatin für NRW Bärbel Beuermann bezeichnete die DDR im Wahlkampf als legitimen Versuch, den Kommunismus zu etablieren, zumindest aus Sicht der Menschen damals. Und als ob das noch nicht genug wäre, zweifelte sie die Rechtmäßigkeit des Verfassungsschutzes an. Natürlich gibt es gewichtige Gründe, nach NSU, Lübcke und Hanau die Effektivität des Verfassungsschutzes anzuzweifeln. Aber ihn gleich für überflüssig zu erklären?

Die Demokratie kann’s besser

Ähnlich geschichtsvergessen zeigen sich viele Linke auch, wenn es daraus geht, die Lehren aus dem DDR-Unrecht zu ziehen. So wandte sich die Linken-Abgeordnete Simone Barrientos in ihrer Bundestagsrede am 13. Dezember 2019 strikt gegen ein Mahnmal der Gewaltherrschaft in der DDR. Stattdessen versteifen sich viele Linke darauf, die Vorzüge der DDR geradezu zu glorifizieren. Sie sprechen davon, dass es die sozialen Ungleichheiten wie wir sie heute erleben, in der DDR nicht gegeben hätte. Na und? Anstatt der DDR in diesem Punkt nachzueifern und sich die alten Zeiten im schlimmsten Falle sogar zurückzuwünschen, müssten solche Erkenntnisse jede funktionierende Demokratie doch dazu anspornen, es noch besser zu machen. Und zwar ohne staatsverordneten Terrorismus.

Ein anderer Blick auf die DDR ist nötig und bestimmt kein Zeugnis von Regierungsunfähigkeit. Dieses Misstrauen gegenüber den Linken muss endlich abgebaut werden – von der einen Seite wie auch von der anderen. Unangebrachte Stasi-Vergleiche stärken das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ebenso wenig wie obsessive DDR-Nostalgien und das Gerede von Erschießungen. Solange die Linke diese notwendigen Schritte nicht macht, wird sie für einen Großteil der Menschen immer regierungsunfähig bleiben.


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Im Namen des Volkes

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Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte ist schuldig der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, gemäß dem Paragraphen 89a, Absatz 1, Absatz 2 und Absatz 2a. Er wird daher zu einer Freiheitsstrafe von einem 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Er trägt die Kosten des Verfahrens.

Sie haben ganz richtig gehört: keine Bewährung. Das Gericht ist nämlich nicht der Ansicht, dass die Gründe für eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung gegeben sind, aber dazu später mehr. Nun erst einmal zu den Gründen, weswegen wir Sie schuldig gesprochen haben.

Die meisten Bürgerinnen und Bürger werden den Straftatbestand, weswegen Sie verurteilt wurden, überhaupt nicht kennen. Und das ist auch gut so. Immerhin sprechen deutsche Gerichte selten ein solches Urteil. In Ihrem Fall ist das aber leider dringend notwendig.

Ich bin mir auch sicher, dass die meisten Menschen wenig mit diesem Straftatbestand anzufangen wissen: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Was soll das sein? Die meisten werden jetzt einen schwerbewaffneten Terroristen vor Augen haben, der sich irgendwo hinstellt und eine Explosion herbeiführt. Natürlich ist das auch eine schwere Gewalttat, aber sie ist selten staatsgefährdend – zumindest ist sie nicht dazu geeignet, wenn es bei einem einzelnen Täter bleibt.

Was Sie getan haben, eignet sich allerdings viel zu gut dazu, die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik zu untergraben oder sogar außer Kraft zu setzen. Denn durch Ihr Verhalten provozieren Sie ja geradezu einen zweiten Lockdown und eventuell sogar Ausgangssperren. Das mag dann zwar durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt sein, aber die Notwendigkeit für diese Maßnahme, die haben Sie erzeugt. Allerdings nicht alleine, denn Sie haben ja, wissentlich oder unwissentlich, eine ganze Reihe an Mittätern. Und mit diesen Mitstreitern zwingen Sie den Staat förmlich dazu, die Bewegungsfreiheit seiner Bürger massiv einzuschränken. Mit freier persönlicher Entfaltung wie sie im Grundgesetz verbrieft ist, hat das dann nur noch bedingt zu tun.

Jetzt muss für eine Verurteilung noch ein weiterer Aspekt erfüllt sein: Die Straftat muss sich gegen das Leben anderer richten – und zwar gemäß den Paragraphen 211 oder 212 im Strafgesetzbuch. Das heißt konkret: Mord und Totschlag. Letzteres sehen wir hier nicht, aber ein Mordmerkmal ist hier allemal erfüllt. Tausende Menschen sind bereits am Coronavirus gestorben und das maßgeblich auch, weil Menschen wie Sie zu bequem waren, die Maske richtig aufzusetzen. Das kann man einerseits als Mord durch Unterlassen bewerten, aber eben auch als Bequemlichkeit. Und was, wenn nicht Bequemlichkeit, ist denn bitteschön ein niederer Beweggrund? Außerdem ist das Virus auf jeden Fall ein gemeingefährliches Mittel, mit dem die Tat begangen wird.

Da wären wir auch schon beim nächsten Thema: dem Virus. Wissen Sie, was das Problem ist? Das Virus lebt nicht, im Prinzip ist es ein Gegenstand. Als solches kann es problemlos als Waffe verwendet werden. Und dass es ein gesundheitsgefährdender Stoff ist, ich denke, darüber besteht Einvernehmen im Saal.

Sie waren in den letzten Wochen im Urlaub; auf Mallorca um genau zu sein. Solche Reisen sind glücklicherweise nicht verboten, aber was Sie dort gemacht haben, das schlägt dem Fass den Boden aus. Hemmungslos waren Sie viermal innerhalb einer Woche „hart Party machen“, wie Sie es nennen. Soll ich Ihnen verraten, was die deutsche Justiz dazu sagt? Beschaffung und Verwahrung der Waffe zur letztendlichen Tatbegehung. Selbstverständlich sind Sie daher auch nach Absatz 2a zu verurteilen, immerhin sind Sie trotz der aktuellen Gefahrenlage auf die Balearen gereist und haben dort trotz aller Widrigkeiten zügellos gefeiert. Es war Ihnen in diesem Moment mindestens egal, ob andere dabei zu Schaden kommen. Auch dafür kennt die Rechtsprechung einen Begriff: Eventualvorsatz.

Einen minderschweren Fall, wie er ja im Gesetz angedeutet wird, sieht die Kammer hier nicht, das ergibt sich aus der kopflosen Feierei, die Sie da drüben getrieben haben. Statt sich nach Ihrer Rückkehr in freiwillige Quarantäne zu begeben oder zumindest die Alltagsmaske richtig zu tragen, setzen Sie sich in den vollgestopften Bus und husten erst einmal, was das Zeug hält.

Dieses Urteil ist vielleicht auch gar nicht das letzte, was Sie von der Justiz zu hören bekommen. Denn der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich die Möglichkeit vorbehalten, gegen Täter wie Sie Führungsaufsicht anzuordnen. Das heißt im günstigsten Fall regelmäßige Termine beim Bewährungshelfer und im schlimmsten Fall eine elektronische Fußfessel. Darüber hat aber im Falle des Falles ein anderes Gericht zu entscheiden. Sie sollen aber wenigsten schon mal davon gehört haben.

Und nun kommen wir noch einmal auf unsere Entscheidung zu sprechen, die Strafe nicht zur Bewährung auszusetzen. Wir glauben, dass von ihnen weiterhin eine hohe Gefahr ausgeht, weitere ähnliche Straftaten zu verüben. Durch ihre konsequente Weigerung während dieser Verhandlung, die Maske über die Nase zu ziehen haben Sie das erneut unter Beweis gestellt. Auch wenn Sie nicht vorbestraft sind, ist das keine Garantie dafür, dass Sie Bewährung erhalten. Eine Milderung der Strafe nach Absatz 6 des Gesetzes kommt ebenfalls nicht in Betracht, immerhin haben Sie durch Ihr anhaltendes Falschtragen nicht dazu beigetragen, die Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Gegen dieses Urteil kann noch innerhalb einer Woche ab heute Revision eingelegt werden. Die Verhandlung ist geschlossen.


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